Spiritualität hilft beim Entscheiden
Führen ist mehr als bloßes Managen. Führen bedeutet unter anderem, Zusammenarbeit zu organisieren oder bei Ziel- und Wertkonflikten Entscheidungen zu treffen. Vor allem aber heißt es, Menschen zu führen und möglichst bewusst sich selbst zu führen.
Ebenso wenig lässt sich Spiritualität reduzieren auf Gottesdienste, religiöse Feiern oder Besinnungstage - so wichtig diese auch sind. Weder lässt sie sich als Sahnehäubchen irgendwo aufsetzen noch macht sie ökonomisches oder ethisches Denken überflüssig. Vielmehr erweitert Spiritualität diese Perspektiven und öffnet den Blick für ansonsten oft übersehene Lebenswirklichkeiten. Ja, manchmal stört oder unterbricht sie aus gutem Grund gewohnte Abläufe - sei es nur durch die persönliche Erkenntnis, dass es zwar auf mich ankommt, aber nicht alles von mir abhängt. Spiritualität betrifft die ganze Person und ihre Umwelt.
Spiritualität ist Beziehungspflege: Eine spirituell verankerte Führungsperson pflegt die Beziehung zu dem, aus dem heraus sie handelt und lebt und aus dem heraus sie ihr Leben deutet und ausrichtet. Diese Beziehungspflege hilft, das Leben zu gestalten - auch das berufliche Leben und das Führungshandeln.
Paradox an der Spiritualität ist, dass sie erst dann hilft, wenn ich nicht daran verbissen festhalte, dass sie mir hilft. Sie ist kein Werkzeug, das in einer konflikthaften Situation einen messbaren "Outcome" erzielt und danach wieder im Werkzeugkasten verschwindet. Wird dies akzeptiert, hilft eine spirituelle Praxis in der Beziehung zwischen Schöpfer und Geschöpf, im Zuhören und Verstehenwollen, im Abwägen und Entscheiden, im Verhalten gegenüber scheinbar alternativlosen Sachzwängen, im Verantwortungübernehmen, aber auch im Loslassenkönnen.
Im Alltag von Wirtschaft, Führung und Management kann eine spirituelle Sichtweise sperrig und störend wirken. In der Welt von Zahlen und Fakten sollte doch - so scheint es - stets geplant, gerechnet, gemacht und gesteuert werden und gerade nicht gefühlt, gespürt oder betrachtet. Wer sich dazu bekennt, dass auch sein Management- und Führungshandeln für ihn Anlass und Gegenstand spiritueller Besinnung sein kann, braucht nicht selten Mut.
Spiritualität kann ermutigen
Auf der anderen Seite kann spirituelle Praxis gerade dadurch ermutigen und stärken: Eine spirituell verankerte Führungskraft muss nicht vor sich selbst und vor anderen die Illusion aufrechterhalten, allzeit der oder die souveräne Macher(in) zu sein. Sie weiß um die mit einer Führungsaufgabe verbundene Verantwortung; zugleich kann sie diese Verantwortung in einen größeren Zusammenhang einordnen, so dass sie in engagierter Gelassenheit tatkräftig ans Werk gehen und mutige Entscheidungen treffen kann - aber auch mit eigenen Grenzen und mit eigenem Scheitern umgehen kann.
Und: Spiritualität ist keineswegs so exotisch, wie es vielleicht erscheint: In anderen, "nicht spirituellen" Kontexten (Personal- und Führungskräfteentwicklung, Teamentwicklung, Beratung, Coaching, Supervision) gibt es bewährte Ansätze, Konzepte und Methoden, die ebenfalls versuchen, verschiedene Ebenen des Wahrnehmens, Erlebens und Deutens anzusprechen und damit den Bezug zur Wirklichkeit zu vertiefen und zu erweitern. Hier lassen sich sinnvolle Verknüpfungen herstellen.
Führungskräfte müssen vieles - vor allem aber müssen sie Entscheidungen treffen. Gerade in komplexen Situationen kann es hilfreich sein, den Abwägungs- und Entscheidungsprozess bewusst zu unterbrechen und sich spirituell zu vergewissern, "wes Geistes Kind ich bin".
Selbstverständlich geht es nicht darum, sich schwierige Entscheidungen "schönzubeten". Die spirituelle Verankerung im Geiste Jesu kann und soll das vernünftige Durchdenken der konkreten Entscheidungsfrage unter Berücksichtigung fachlicher, ökonomischer und weiterer Kriterien keinesfalls ersetzen. Sie kann aber auf ihre eigene Weise zur Orientierung beitragen und helfen, die konkret anstehende Entscheidung in einem größeren Zusammenhang zu sehen und sie in Verbindung zu bringen mit der eigenen (Grund-)Haltung und auch mit dem inneren Halt - einem Halt, der nicht festhalten und fixieren, sondern gerade Beweglichkeit und Freiheit ermöglichen soll. Diese spirituelle Verankerung erfolgt auch (ohne dadurch "unvernünftig" zu werden) auf der Ebene des achtsamen, unterscheidenden Wahrnehmens innerer Regungen und Strebungen, die nicht zuletzt leiblich und emotional spürbar werden.
Spiritualität kann nicht nur der einzelnen Führungskraft helfen, zu stimmigen Entscheidungen zu finden: Nicht zuletzt tragen und beleben spirituell fundierte Entscheidungen den Geist in Einrichtungen und Diensten der Caritas.
Spirituelle Verankerung mit Struktur
Wer sich als Führungskraft angesichts anstehender Entscheidungen spirituell verankern will, braucht dafür ein Vorgehen und eine gewisse Struktur, die zur Situation und vor allem zur eigenen Person passen. Wichtig ist es, sich einen individuell geeigneten Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen sich dann die Spiritualität frei und lebendig entfalten kann. Zu diesem Zweck beschreibt die Handreichung ein mögliches, individuell anzupassendes Vorgehen und die wichtigsten Schritte. Ein wesentlicher Part ist dabei eine (Selbst-)Besinnung, die sich an einer Reihe von Fragen orientieren kann. Die Handreichung formuliert Fragen zur (Selbst-)Wahrnehmung in der Ausgangssituation, zur Einschätzung der Handlungsoptionen, zur Einschätzung möglicher Konsequenzen und Ergebnisse ("Was wäre, wenn…?") und zum Ziehen eines Fazits. Diese Fragen werden nicht als abzuarbeitende "Checkliste" gestellt, sondern als Impulse, mit denen die Führungskräfte in aller Freiheit und Individualität umgehen können.
Und die Ethik?
Eine spirituelle Besinnung kann eine ausdrücklich ethische Reflexion nicht ersetzen und lässt sich umgekehrt durch diese nicht ersetzen. Wenn ein(e) Entscheidungsträger(in) den Eindruck gewinnt, dass eine anstehende Entscheidung in ethischer Hinsicht komplex ist, kann eine ausführliche ethische Reflexion (zum Beispiel anhand des Leitfadens "Ethisch entscheiden"2) zur Klärung beitragen. Die Führungsperson gewinnt so Gründe, die ihre Entscheidung ethisch rechtfertigen und helfen, diese nach innen wie nach außen zu kommunizieren.
Gleichwohl kann es hilfreich und orientierend sein, gerade auch in ethisch relevanten Konfliktsituationen die inneren Regungen und Strebungen einer spirituellen Unterscheidung und Klärung zu unterziehen. So kann die spirituelle Verankerung auch in Situationen, welche dezidiert ethische Fragen beinhalten, angeraten sein. In der Handreichung finden sich konkrete Hinweise, wie beides - die spirituelle Verankerung und die ethische Entscheidungsreflexion - miteinander verbunden werden kann.
Anmerkungen
1. Deutscher Caritasverband (Hrsg.): Entscheidungsfindung und Spiritualität. Freiburg, 2015. Die Handreichung wurde von Thomas Steinforth unter Mitwirkung von Regina Hertlein, Alexis Fritz, Hermann Krieger, Klaus Ritter, Dorothee Steiof und Thomas Wigant erstellt. Sie steht zum Download unter www.caritas.de/caritas-und-management
2. Deutscher Caritasverband (Hrsg.): Ethisch entscheiden. Freiburg, 2015 (www.caritas.de/caritas-und-management).
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