Führung unter veränderten Vorzeichen
Die Herausforderungen, vor denen Organisationen stehen, führen dazu, dass Mitarbeitende steigenden Anforderungen gerecht werden müssen. Führungskräfte fragen sich, wie sie ihre Teams bestmöglich dabei unterstützen können. Eine zentrale Strategie besteht darin, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den Vordergrund zu stellen.
Diese Perspektive kehrt das bisherige Vorgehen um: Nicht die Mitarbeitenden sollen sich den Arbeitsbedingungen anpassen, sondern Letztere sollen auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten werden. Da diese von Person zu Person variieren, bedeutet der Ansatz nichts weniger als eine konsequente Individualisierung der Arbeit.
Betrifft: Inhalt, Ort und Zeit der Arbeit
Führungskräfte sollten mit ihren Mitarbeitenden gemeinsam herausfinden, unter welchen Bedingungen sie am besten arbeiten. Damit dies gelingt, sind drei Aspekte zu realisieren:
- Individuelle Gestaltung der Arbeitsinhalte: Die Aufgaben der Mitarbeitenden sollten sich aus ihren Interessen und Wünschen ableiten. Mit anderen Worten: Die zentrale Frage ist, mit welcher Arbeit sich das Organisationsmitglied identifiziert. Je höher die Identifikation mit der eigenen Tätigkeit, desto mehr profitieren die Mitarbeitenden wie auch das Unternehmen.
- Flexibler Arbeitsort: Ob Büro, Homeoffice oder eine Kombination aus beidem - die Entscheidung darüber sollte individuell getroffen werden, anstatt allgemeine Regelungen vorzugeben, die für die ganze Belegschaft verbindlich sind.
- Individuelle Arbeitszeit: Das Arbeitszeitmodell sollte so gewählt werden, dass es zu dem:der jeweiligen Mitarbeiter:in passt. Besonderes Augenmerk ist auf den Umfang der Arbeitszeit zu legen. Denn dieser entscheidet maßgeblich darüber, ob die geforderte Leistung dauerhaft abgerufen werden kann. Immer mehr Leistung oder gar Höchstleistung lässt sich jedoch kaum in Vollzeit erbringen - wie auch ein Fußballprofi nicht jeden Tag ein Bundesliga-Spiel bestreiten könnte. Er würde rasch an seine Grenzen stoßen und im Ergebnis weniger Leistung bringen. So wird für die meisten Mitarbeitenden wahrscheinlich eine verkürzte Arbeitszeit zur Bedingung für das stetige Erbringen von mehr Leistung, zumal Teilzeitarbeit noch weitere Vorteile mit sich bringt. Statistiken zeigen bereits einen deutlichen Trend hin zur Teilzeit.
Stetig, transparent und empathisch kommunizieren
Um diesen Wandel erfolgreich zu gestalten, sind Führungskräfte gefordert:
- Sie müssen den Ansatz transparent erklären und für Offenheit und Verständnis werben.
- Sie sollten regelmäßige Gespräche führen, um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden zu erkennen und umzusetzen.
- Sie benötigen ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten und die Fähigkeit, aktiv zuzuhören.
- Sie müssen bereit sein, Zeit in diesen Prozess zu investieren.
Positive Effekte, wenn Arbeit zu den Menschen passt
Der Mehraufwand lohnt sich:
- Unternehmen profitieren bei der Bewältigung ihrer Herausforderungen von engagierten Mitarbeitenden, die ihre Aufgaben mit mehr Motivation und Leistungsbereitschaft übernehmen.
- Mitarbeitende identifizieren sich stärker mit ihrer Tätigkeit und ihrer Organisation, wodurch die Fluktuation sinkt - ein entscheidender Vorteil angesichts des Fachkräftemangels.
- Die Individualisierung der Arbeit trägt dazu bei, Arbeit nachhaltig zu gestalten, das heißt etwa, dass Arbeit nicht krank macht, als sinnvoll erlebt wird und der Mensch eine längere Lebensarbeitszeit bewältigen kann.
- Führungskräfte werden entlastet, da Mitarbeitende mehr Eigenverantwortung übernehmen: Kontrolle verliert an Bedeutung.
Diese individuell orientierte Vorgehensweise, um den Wandel in der Arbeitswelt zu gestalten, ist Teil des "New Work"-Konzepts von Frithjof Bergmann. Das übergeordnete Ziel: ein Arbeitssystem zu schaffen, in dem nicht länger der Mensch der Arbeit dient, sondern diese der Entwicklung des Menschen (S. a. neue caritas Heft 3/2025, S. 34).