Gedanken zu „Schwerter zu Pflugscharen“
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Mitchristen!
Im Garten des UNO-Hauptgebäudes in New York steht eine Bronze-Skulptur, die einen Mann zeigt, der ein Schwert zu einem Pflug umschmiedet. Das Erstaunliche: Diese Skulptur war nicht etwa ein Präsent einer religiösen Gruppierung an die UNO. Das hätte nahegelegen, stammt der Spruch "Schwerter zu Pflugscharen" doch aus den Büchern Micha und Jesaja im Alten Testament. In der Bibelstelle nach Micha heißt es: "Er wird unter vielen Völkern richten und mächtige Nationen zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen." (Mi 4,3) Die Skulptur des Mannes, der ein Schwert zu einem Pflug umschmiedet, wurde den Vereinten Nationen 1959 von der damaligen atheistisch geprägten Sowjetunion geschenkt. Wie widersprüchlich muss es da erscheinen, dass ausgerechnet Russland - das Land, das sich in der Nachfolge der Sowjetunion sieht - seit zweieinhalb Jahren einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt.
"Schwerter zu Pflugscharen" dient auch der Friedensbewegung seit den Achtzigerjahren als Symbol. Auch ich war damals davon beeindruckt und verweigerte 1984 den Kriegsdienst. Ich muss allerdings zugeben, dass ich spätestens seit dem brutalen Krieg Russlands gegen die Ukraine meine ursprünglich pazifistische Einstellung abgelegt habe. "Schwerter zu Pflugscharen" hat für mich nach wie vor eine hohe religiöse Bedeutung für die Verheißung und Sehnsucht nach Frieden, die Gott nach unserer christlichen Überzeugung eines Tages in Erfüllung gehen lässt. Es gibt sicherlich auch überzeugende Beispiele in der Geschichte, in der diese Gesinnungsethik mit gewaltfreiem Widerstand auch politisch erfolgreich zum Ausdruck kam. Ich denke da zum Beispiel an Mahatma Gandhi, aber auch an die friedliche Revolution in der DDR 1989. Doch es gibt für mich heute Situationen, in denen es verantwortungsethisch gerechtfertigt ist, Waffengewalt anzuwenden. Bei Angriffskriegen, wie sie Hitler verübte oder eben jetzt auch Putin verübt, macht man sich beim Unterlassen von Gegengewalt vermutlich schuldiger als bei der Anwendung von Gewalt. Vor einigen Monaten wurde hier beim Friedensgebet ja deshalb auch der Spruch "Du sollst nicht töten lassen" geprägt.
Auch wenn insofern Gegengewalt nicht unterbleiben kann, muss es Ziel bleiben, zu Verhandlungen zu kommen - auch wenn Putin ein Partner ist, dem man mit gesundem Misstrauen begegnen muss. Ohne Verhandlungen wird es keinen Frieden geben können. Jenseits der Politik ist es für uns als Christen und Menschen guten Willens moralische Verpflichtung, den Opfern in der Ukraine so gut wie möglich zu helfen …
Je länger der Krieg in der Ukraine dauert, desto mehr wird natürlich auch ein dauerhaftes Engagement hier zur Herausforderung. Ich finde es daher bewundernswert, dass dieses Friedensgebet seit Beginn des Überfalls über die ganze Zeit hinweg aufrechterhalten worden ist. Neben konkreter Hilfe bleibt die Möglichkeit, sich durch das Gebet für die Menschen in und aus der Ukraine einzusetzen. Natürlich kann nicht jeder und jede jede Woche kommen. Wir können aber auch zu Hause und andernorts für die Opfer in der Ukraine beten. Lassen wir darin nicht nach. Vielen Dank für Ihre und Eure Aufmerksamkeit!