Warum Teresa Wieland Menschen in ihren letzten Wochen begleitet
Der Mensch lebt bis zur letzten Sekunde. Das ist, was das Leben ausmacht.@ privat
Teresa Wieland engagiert sich ehrenamtlich für den ambulanten Hospizdienst der Caritas Berlin. Und ist für die Menschen in ihren letzten Lebenswochen da. Für die 40-Jährige ist das keine traurige Pflicht, sondern ein Geschenk.
Vor der Tür atmet Teresa Wieland noch einmal tief durch, spricht ein kurzes Gebet. Dann tritt sie ein – in eine Wohnung, in der das Leben zu Ende geht. Die 40-jährige Südbadenerin ist ehrenamtliche Sterbebegleiterin beim ambulanten Hospizdienst des Diözesan-Caritasverbandes Berlin. "Ich begleite nicht die Sterbenden. Ich begleite die Lebenden", sagt sie mit fester, warmer Stimme. Diese Haltung prägt ihre Aufgabe, die sie als tiefes Privileg empfindet.
Ihr Weg dorthin war lang und von frühen Begegnungen mit Endlichkeit gezeichnet. Schon als Kind begegnete ihr der Tod: mit zehn auf der ersten Beerdigung, später beim Verlust der Großmutter und eines anvertrauten Kindes. Eine anonyme Bestattung als Teenager erschütterte sie erneut. Die empfundene Verlorenheit bestärkte sie in dem Gedanken: "Jeder Mensch hat ein Anrecht darauf, begleitet zu werden. Die Würde ist unantastbar, von Anfang bis zum Ende."
Begleiten, ohne sich zu verlieren
Hier fand sie, wonach sie als Christin suchte: einen konkreten Ort gelebter Nächstenliebe. "Wenn ich meine Aufmerksamkeit von mir weg auf eine andere Person richte und ihr Zeit schenke, dann ist das für mich Nächstenliebe", erklärt sie. In der Sterbebegleitung wurde diese Haltung zur praktischen Herausforderung. Die intensive halbjährige Ausbildung lehrte sie, ganz im Sinne des barmherzigen Samariters, auf Bewertungen zu verzichten. "Dieses vorurteilsfreie Da-Sein habe ich dort gelernt", sagt Wieland. "Es geht darum, zu wissen, wie ich reagiere, was ich für ein Mensch bin." Dieses Wissen sei der Schlüssel, um in der existenziellen Krise des Sterbens wirklich für andere da sein zu können, ohne sich selbst zu verlieren.
Als Erstes begleitete sie eine alte Dame, die sich nur langsam öffnete. Teresa Wieland begleitete sie ein halbes Jahr, sogar über den Umzug von zu Hause ins Hospiz hinaus. Was sie besonders in Erinnerung behielt, waren die gemeinsamen Ausflüge ins Einkaufszentrum. Die Frau, bereits im Rollstuhl, kaufte sich noch einen Pulli, eine Hose, Duschgel. "Der Mensch lebt bis zur letzten Sekunde", sagt Wieland. "Wenn dieser Mensch das will, dann hat er auch ein Anrecht darauf. Das ist es, was Leben ausmacht."
Der Glaube als Fundament
Ihr christlicher Glaube ist ihr persönliches Fundament, aber kein Werkzeug für die Begleitung. Das Gebet vor der Tür dient ihrer eigenen Zentrierung und schenkt ihr die nötige Ruhe. Für die Sterbenden ist sie jedoch ganz da, ohne zu werten. Sie betet oder singt Kirchenlieder nur, wenn dies ausdrücklich gewünscht wird. Sie hat erlebt, wie Menschen am Ende doch überraschend nach Transzendenz suchen.
Ihr Rat an Menschen, die sich für dieses Ehrenamt interessieren, ist einfach und ermutigend: "Hab keine Angst. Du wirst gut vorbereitet und begleitet." Die Belohnung für diese fordernde Tätigkeit sei unermesslich: "Es ist eine geschenkte Zeit." Dieses Ehrenamt hat Teresa Wieland, die hauptberuflich für Caritas international arbeitet, eine ungemeine Dankbarkeit für das eigene Leben gelehrt. "Du siehst, wie viele Hürden das Leben anderen Menschen in den Weg stellt. Und du beginnst, dein eigenes Leben ganz neu zu schätzen."