Schule kann Kinder und Jugendliche stärken. Aber Schule kann für einige Kinder und Jugendliche auch ein Ort des Grauens sein. Zum Beispiel, wenn sie gemobbt werden, von Schulkameraden ausgegrenzt und erniedrigt werden. Dann können sechs Schulstunden zu "six cruel hours of life" werden. Übersetzt: zu sechs grausamen Stunden im Leben.
Six cruel hours of life, so heißt auch der Film, den Sandra, Rasheed, Michelle, Mia, Melissa, Kristina, Emilia und Bastian im Kinderzentrum des Caritas-Zentrum Saarpfalz (KIZ) gedreht haben. In Zusammenarbeit mit dem Landesverband Kinder- und Jugendfilm Berlin e.V. (kijufi). Klappe auf! Für Demokratie und Kinderrechte heißt die kijufi-Initiative, bei der Kinder, unterstützt von Profis, Filme drehen, und sich so für ihre Rechte einsetzen, auf Probleme aufmerksam machen, mit denen sie auf dem Weg zum Erwachsenwerden konfrontiert werden. 32 Filme drehte kijufi bundesweit in diesem Jahr. Eines dieser Filmprojekte entstand im KIZ.
Ob Kinderrechte, Klimawandel, Taschengeld oder Schutz vor Gewalt, "die Teilnehmer am Projekt können entscheiden, was ihr Thema bei Klappe auf ist", erzählt Andreas Kreutzer vom Kinderzentrum des Caritas-Zentrum Saarpfalz. In den Herbstferien wurde das Projekt im KIZ umgesetzt. Es gab mehrere Projektteile. Wie in Coronazeiten längst üblich, begann alles mit einer Videokonferenz zum Kennenlernen. Es folgte der Internetritter-Workshop. Die Internetritter sind eine zivilgesellschaftliche Vernetzungsstelle, die sich gegen Hate Speech, also Hass, und für eine positive Debattenkultur im Internet stark macht und Interessierte unterstützt. In welche Richtung das Filmprojekt laufen könnte, deutete sich da schon an und vertiefte sich beim folgenden Empowerment Workshop, bei dem es um die Themenfindung für den Film ging, darum erste Einblicke zu bekommen, wie ein Film entsteht, wie Proben aussehen. Erste Übungen für die Schauspielerei gehörten zum Programm, aber auch Themen wie Skript schreiben. Rassismus, Diskriminierung und Mobbing seien drei Themen gewesen, mit denen sich die Kinder im Alter von zehn bis 18 Jahren im Workshop befassten. Filmisch umgesetzt wurde das Mobbing-Thema.
Mobbing ist ein Thema, das die Kinder, die das KIZ regelmäßig besuchen, immer mal wieder beschäftigt. Die Idee von Klappe auf wurde damit perfekt getroffen. Von Mittwoch bis Freitag arbeiteten die acht Nachwuchskünstler aus dem KIZ mit dem Filmcoach und Produzenten Robert Dobe an ihrem Werk. Der Film macht aufmerksam auf dieses Problem, zeigt, wie schon der Weg zur Schule zur Qual werden kann, wie das letzte bisschen Selbstvertrauen schwindet, wenn Mitschüler immer wieder einen Mitschüler, eine Mitschülerin zum Opfer machen. "Warum bin ich immer das Opfer", fragt im Film auch verzweifelt der gemobbte Schüler. Wie schmerzlich die Erfahrung sein kann, das zeigte sich in Diskussionen, die beim Erstellen des Drehbuchs geführt wurden. Da wurden verschiedene Szenarien entwickelt, erzählt Kreutzer, der mit dem KIZ-Team die Dreharbeiten unterstützte. Es gab aber auch viel zu lachen, "weil in der Phantasie auch Szenarien entstehen konnten, die nicht umsetzbar waren", erzählt Kreutzer. Auf die Idee, dass viel gelacht wurde, kommt zunächst nicht, wer den Film sieht, der auf dem Youtube-Kanal von kijufis zu sehen ist und in den kommenden Monaten im Homburger Eden-Kino auch noch geraume Zeit vor dem Hauptfilm gezeigt werden soll. Der Horror, die die sechs Schulstunden für das Mobbing-Opfer bedeuten, wird für den Zuschauer spürbar.
Das Ende ihres Films nutzen die jungen Filmemacher, um das vorher Gezeigte einzuordnen. Sie wissen, dass sie in ihrem Film noch nicht die krassestes Form von Mobbing gezeigt haben, aber schon dieses Ausmaß ist für Betroffene belastend. Was ist Mobbing überhaupt, wann und wie fängt es an, was motiviert Mobber zu Tätern werden, das sind Fragen, die die Protagonisten im Film aufwerfen und sie weisen auch darauf hin, dass wer sich gemobbt fühlt, um Hilfe bitten soll. Bei Freunden, bei der Familie. Diese Fragen sollen noch öffentlich diskutiert werden. Mit Eltern, Politikern, Interessierten. Das sei bedingt durch die Corona-Pandemie noch nicht möglich gewesen, sagt Kreutzer. Für die Teilnehmer, für die das Filmprojekt eine tolle Erfahrung gewesen sei, gehöre die Diskussion über ihren Film, über ihr Thema, dazu. Bewusst haben sie für dieses Thema die Klappe aufgemacht.
Text: Andrea Daum
Fotos: Janine Niedenzu-Brünner