Stuttgart, 3. Februar 2011 – Es kann jeden treffen: ein
Missgeschick, ein Unfall, eine Krankheit - und ein Mensch ist lebenslang
behindert. Andere kommen mit einer Behinderung zur Welt. Wie andere Menschen
auch nehmen Menschen mit einer Behinderung für sich das Recht auf
Individualität und Vielfalt in Anspruch. Sie sind verschieden, und das macht
eine Gesellschaft lebendig. Den ganzen Menschen zu sehen und nicht bei der
Behinderung stehen zu bleiben, dazu ruft die Caritas mit ihrer Jahreskampagne
2011 „Kein Mensch ist perfekt“ auf. Im Haus der Katholischen Kirche in
Stuttgart forderte die Caritas in Baden-Württemberg gestern bei ihrem
Jahresauftakt dazu auf, Voraussetzungen zu schaffen, damit Menschen mit
Behinderung gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen
können.
Auf ganz unterschiedlichen Ebenen stellten sich den Menschen
mit Behinderung Barrieren in den Weg. Das machte Caritasdirektor Prälat
Wolfgang Tripp (Rottenburg-Stuttgart) vor rund 200 Gästen aus Politik, Medien,
Kirche und Wissenschaft deutlich: Neben der Gebrauchsanweisung für ein
alltägliches technisches Gerät, die ein Mensch mit einer Lernschwäche nicht
verstehen könne, finde man Barrieren in Gebäuden oder in politischen
Rahmenbedingungen. „Barrieren walten vor allem auch in den Köpfen und entfalten
dort meist unbewusst eine unglaubliche Wirkung.“ Hinter der diesjährigen
Kampagne der Caritas sieht Tripp die große Vision einer inklusiven
Gesellschaft. „Dies meint, dass alle Menschen von Anfang an gleichberechtigt
und selbstverständlich zusammenleben und zusammengehören.“
„Das
Imperfekte ist die Regel“
Für den Schriftsteller und Schauspieler Peter Radtke, der mit der Glasknochenkrankheit zur Welt kam und im Rollstuhl sitzt, treibt der Wahn von der perfekten Welt vielerlei Blüten. Für ihn ist der wirklich perfekte Mensch aber der Mensch, der sich seiner Unvollkommenheit bewusst ist und sie als wesentlichen Bestandteil seines Menschseins begreift. Der behinderte Mensch wisse um seine Imperfektion . „Möglicherweise ist dies gerade unsere Aufgabe in der Gesellschaft: durch unsere Imperfektion den Mitmenschen einen Spiegel vorzuhalten. Nicht wir sind das Fehlmuster in der Kollektion. Das Imperfekte ist die Regel.“
In Vertretung von Caritasdirektor Monsignore Bernhard Appel
(Freiburg) warb dessen Stellvertreter Michael Müller für den Kontakt zwischen
Menschen mit und ohne Behinderung. „Begegnung und Nähe verwandeln Vorurteile in
wirkliche Erfahrung und geben uns eine andere Einstellung“, so Müller. Aus
seiner Sicht will die Caritas-Jahreskampagne eben dies erreichen: Genau
hinschauen und eine neue Haltung einnehmen.
Caritas-Journalistenpreis
würdigt herausragende publizistische Leistungen
Den Sinn für die soziale Dimension in der Gesellschaft wach
halten und schärfen – das gelang den Journalisten vortrefflich, die gestern mit
dem 22. Caritas-Journalistenpreis Baden-Württemberg ausgezeichnet wurden.
Die Filmautorin und SWR-Redakteurin Irene Klünder erhielt
den mit 3000 Euro dotieren 1. Preis für ihren Filmbeitrag „Schwanger und
verzweifelt. Familien vor der Entscheidung“. Die Film-Dokumentation zeigt, wie
eine junge Mutter vor der Entscheidung steht, eine Zwillings-Schwangerschaft
abzubrechen, da sie ein behindertes Kind erwartet. Einfühlsam gelingt der
Journalistin ein Blick in die Not der Schwangeren, die bereits zwei Kinder hat,
eines davon ist schwer behindert.
Der zweite Preis in Höhe von 1.000 Euro ging an Daniel
Gerber, Volontär bei der Freiburger Bistumszeitung „ Konradsblatt “ für seinen
Beitrag „Festung Europa. Der Weg afrikanischer Migranten ins vermeintliche
Paradies“. In seinem Beitrag verleiht er Migration ein Gesicht.
Lebensschicksale bringt er in einen gelungenen Wechsel mit bislang wenig
bekannten Fakten. Ebenfalls mit dem zweiten Preis ausgezeichnet wurde der Autor
Matthias Holland-Letz für sein Hörfunk-Feature „Eine kurze Geschichte von...
Renate Hagemes und der Würde von Hartz-IV-Empfängern “. Ein Porträt einer
Ehrenamtlichen, in dem Holland-Letz eindrücklich die Facetten von „Hartz IV“
transportiert.
Eine lobende Erwähnung erhielt Gerhard Kirk, Redakteur bei
der Badischen Zeitung in Freiburg. Er initiierte die Seite „Senioren machen
Zeitung“ und betreute sie über sieben Jahre hinweg. Damit hat er das
letztjährige Caritas-Thema „Experten fürs Leben“ auf den Punkt gebracht.
Der fünfköpfigen unabhängigen Jury aus Fachjournalisten
lagen 63 Beiträge aus Presse, Hörfunk und Fernsehen vor.
Mehr Informationen finden Sie auf der Caritas-Webseiten zur
Kampagne 2011:
www.kein-mensch-ist-perfekt.de
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