Mit Spaß bei der Arbeit: Melanie ten Brink geht mit Ihrem Kollegen Christian Wittpahl eine Patientenakte durch. Die 38-jährige absolviert im Herz-Jesu-Krankenhaus in Hiltrup eine Teilzeitausbildung.Julius Schwerdt
Beim morgendlichen Kaffee "stolperten" Uphoff und seine Kolleginnen in einer Fachzeitschrift über einen Artikel über vergleichbare Modelle in Süddeutschland.
"Wir haben uns sofort gedacht: Das sollten wir auch mal versuchen.", erinnert sich Uphoff. Der Erfolg war auch für die langjährigen Praktiker überraschend: "Auf 25 Stellen hatten wir 100 Bewerbungen." Barbara Hamann, die die Teilzeit-Auszubildenden unterrichtet, hat auch in Zukunft genügend zu tun: "Der Kurs im kommenden Sommer ist schon ausgebucht."
Das erscheint paradox, schließlich bewarben sich die angehenden Pflegekräfte auf eine Ausbildung, die vier statt drei Jahre dauert. "Das tun sie aber mit gutem Grund", sagt Barbara Hamann. Meist handelt es sich um Mütter, die ihre erste Ausbildung aufgrund einer Schwangerschaft abgebrochen haben. "Andere haben ihre Kinder "aus dem Gröbsten raus" und wollen dann etwas für sich erreichen", gibt Hamann Einblick in die Kurse. Dementsprechend groß ist die Altersstreuung in der Teilzeit-Ausbildung: Von 18 bis 54 Jahren ist alles dabei.
Eine von Ihnen ist Melanie ten Brink, die sich mit 38 Jahren nochmal an eine Ausbildung im Herz-Jesu-Krankenhaus wagte. "Meine erste Pflegeausbildung musste ich leider abbrechen", erzählt die Auszubildende. Jetzt sind ihre beiden Söhne mit 13 und 18 Jahren recht selbstständig und unterstützen ihre Mutter. "Durch die Teilzeitausbildung kann ich meinen Traum verwirklichen und trotzdem noch für meine Familie da sein", freut sich ten Brink. Natürlich sei es an manchen Wochenenden hart, wenn sie "ihre Jungs" aufgrund der Arbeit kaum sehen könne, dennoch sei die Ausbildung eine sehr familienfreundliche Sache.
Die Theorie in der ZfG steht natürlich neben der praktischen Arbeit in den Krankenhäusern. Dort musste vor Einführung der Teilzeitausbildung Überzeugungsarbeit geleistet werden "Die Krankenhäuser haben die Teilzeit-Auszubildenden inzwischen aber sehr schätzen gelernt", erzählt Gregor Uphoff. Die Absolventinnen seien hochmotiviert und brächten Lebenserfahrung mit. Zudem seien viele von Ihnen durch familiäre Bindungen bodenständiger als ihre jüngeren Kolleginnen. "Die bleiben auch nach der Ausbildung in der Region", sagt Uphoff. Da verwundert es nicht, dass alle Teilnehmerinnen des ersten Jahrgangs eine Stelle fanden.
Für Melanie ten Brink dauert es noch bis zu einer möglichen Festanstellung: Sie ist im zweiten Lehrjahr. Deshalb kann sie schon eine kleine Bilanz ziehen. Grundsätzlich läuft vieles gut. Die Unterrichtsinhalte allerdings waren für sie trotz schon einmal begonnener Ausbildung komplett neu. "Alle fangen bei null an. Wir freuen uns aber trotzdem auf den Unterricht", sagt ten Brink mit Blick auf ihre Mitschülerinnen. Auch beim Thema Zeitmanagement hat sie wichtige Erkenntnisse gewonnen: "Ich habe von meiner Familie und dem Krankenhaus wirklich gute Unterstützung. Das ist sehr wichtig, um das alles zu schaffen."
Womit man bei einem Spruch ankommt, der Gregor Uphoff stört: "Ihr macht ja nur Teilzeit." Speziell zu Beginn des ersten Kurses haben die Auszubildenden diesen Satz häufiger gehört. Uphoff sieht es anders: "Sie unternehmen eine Wahnsinnsanstrengung, um vieles unter einen Hut zu bekommen." Vor und nach der Arbeit müsse ja die Familie weiter zu Ihrem Recht kommen und beispielsweise die Kinder versorgt werden. "Und dann setzen Sie sich abends spät noch hin, um den Unterrichtsstoff zu lernen", weiß Barbara Hamann.
Schon allein deshalb ist das Wort "Belastbarkeit" in den Stellenanzeigen keine Phrase. "Wenn im Bewerbungsgespräch der Satz "Das kriege ich schon irgendwie hin" fällt, werde ich hellhörig", sagt Gregor Uphoff. Dieses "irgendwie" funktioniere nämlich nicht lange. Dass das soziale Netz um die Auszubildenden ebenso belastbar sein muss wie sie selbst, war eine der wichtigsten Lehren aus der Startphase der Teilzeitausbildung. Außerdem müsse die Akzeptanz für die flexibleren Arbeitszeiten auf den Stationen noch steigen. "Wir als Schule haben unsere Ferien an die Schulferien angepasst. Es sind diese kleineren Erleichterungen, die den Teilzeitlern aber sehr helfen", erklärt Uphoff. Das sieht auch Melanie ten Brink so. Denn eines sei klar: "Eine Vollzeit-Ausbildung hätte ich nicht geschafft."
034-2016 (jks) 6. Mai 2016