Worms, 10.12.2021.
Georg Bruckmeir (links) und Petra Steinbrede (Mitte) danken Ursula Sehrt für ihre langjährige engagierte Bildungsarbeit.© Caritasverband Worms e. V.
Was waren die schönsten Momente in der Grundbildungsarbeit von Erwachsenen? Auf diese Frage sprudelt es ausUrsula Sehrt geradezu heraus: Berichte von Menschen, die durch das Lernen von Lesen und Schreiben ganz neue Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe gewinnen konnten. Ursula Sehrt wird weiterhin ihre Aufgabe als Leiterin der Seniorenakademie im Caritasverband wahrnehmen, nach mehr als 20 Jahren in der Grundbildung wurde sie als Kursleiterin verabschiedet.
Im Gespräch mit Sozialarbeiterin Petra Steinbrede und Fachbereichsleiter Georg Bruckmeir wird die besondere Problematik nochmals deutlich, mit der Menschen ohne ausreichende Lese- und Rechtschreibkenntnisse leben: an Formularen scheitern, Hinweisschilder übersehen, keine oder nur sehr eingeschränkte berufliche Perspektiven. Aus Scham verschweigen viele ihre Schwäche, überspielen Situationen, mancher schafft sogar mit fotografischem Gedächtnis eine Führerscheinprüfung. Und dennoch sind sie ausgeschlossen aus weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens, entstehen oft noch weitere persönliche Fragestellungen. Ein Umstand, weshalb der Caritasverband über viele Jahre - bis zum Beginn der Pandemie - eng verknüpft mit seinen Beratungsangeboten ein Alphabetisierungsangebot aufrechterhielt. Mit Ursula Sehrt als engagierter Fachkraft, die die Verbindung zwischen Beratungshilfen, ihrer Bildungsarbeit und den Angeboten von weiterführenden Bildungseinrichtungen herstellen konnte.
Und auf diesem Weg viel Erfolg hatte. Etwa der Mann, alleinstehend, gerade fünfzig Jahre alt. Nach einem wenig erfolgreichen Schulstart in der Kindheit war seine Bildungslaufbahn beendet, bevor sie richtig begonnen hatte. Einige Jahrzehnte schlug er sich mit seinem Handicap und mit Hilfstätigkeiten so durch, bis in einer Caritas-Beratungsstelle die Problematik auffiel. Ursula Sehrt ist noch ganz beeindruckt, wie schnell der Mann gut Lesen und Schreiben lernte, und auch den Einstieg in eine berufliche Existenz schaffte. Nicht minder bewegend die Schilderung einer Familie, in der die Mutter Lesen und Schreiben lernte, um die Schulaufgaben ihren Kindern zu verstehen. Oder eine Migrantin, die es mit großer Energie schaffte, nun auch eine Ausbildungsstelle zu finden.
Beispiele, die deutlich machen, dass es in der Caritasarbeit darum geht, Menschen, die nicht in das System staatlicher Förderung passten, dort keinen Einstieg fanden oder herausfielen, individuell und ganzheitlich zu fördern. Damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben (Joh 10,10).