Hilfe zur Selbsthilfe
Vor 25 Jahren begann Veronika Lattig mit ihrer Arbeit in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) in Cottbus. Bis zur Wende hat sie nebenberuflich mit zwei weiteren Berater(inne)n und unter dem Dach der katholischen Kirche eher im Verborgenen gearbeitet, berichtet die diplomierte Ehe-, Familien- und Lebensberaterin. Nach dem Abschluss eines Fernstudiums auf psychologisch-psychoanalytischer Grundlage erhielten sie und drei weitere Berater(innen) von dem damaligen Bischof Bernhard Huhn die Sendung mit dem Auftrag, Ehe-, Familien- und Lebensberatung in der Diözese Görlitz aufzubauen. "Um uns bekannt zu machen, begannen wir mit Informationsveranstaltungen in den Gemeinden, in Familienkreisen, in Priesterkonferenzen, wir besuchten das Priesterseminar in Neuzelle, gingen in Jugendgruppen und führten über zehn Jahre Ehevorbereitungskurse im Sankt-Johannes-Haus durch", erinnert sich die 59-Jährige.
Kurze Wege und schnelle Hilfen
Mit dem Wegfall der Mauer wurde es möglich, eine Beratungsstelle in Trägerschaft des bischöflichen Ordinariates mit einer Vollzeitstelle und einer Honorarkraft in Cottbus zu etablieren. Im Zuge der Umstrukturierungen des Caritasverbandes in Cottbus nach der Wende, kam es zu der vernünftigen Überlegung, die Ehe-, Familien- und Lebensberatung in die Struktur des Caritasverbandes zu integrieren. Seit März 1996 ist die EFL ein Fachdienst der Caritas-Kreisstelle in Cottbus. Die Vernetzung mit den anderen Fachdiensten entspricht sehr der ganzheitlichen Sicht vom Menschen, was er braucht und wer ihm jetzt in dieser schwierigen Situation helfen kann. Kurze Wege und schnelle Hilfe werden dadurch möglich.
Laut Statistik suchten im Jahr 2006 303 Klienten, 206 Frauen und 97 Männer, davon 41 Paare, in 734 Beratungsstunden Hilfe und Gespräch in der Beratungsstelle. Die jüngste Klientin war 13 Jahre alt, das älteste Ehepaar 79 und 83 Jahre. Auch wenn Männer heute öfter Rat suchen als früher, sind sie in der Minderheit. "Frauen haben ein größeres Problembewusstsein", so Veronika Lattig. "Außerdem sind Männer es nicht gewöhnt, über ihre Probleme zu sprechen." Die Zahl der Ratsuchenden hat sich von 86 Personen im Jahr 1989 bis heute mehr als verdreifacht. Das führt die Beraterin einerseits auf das gestiegene Problembewusstsein, andererseits auf gewachsenen gesellschaftlichen Druck zurück.
Seismographen der Gesellschaft
Die Zunahme des Klientels, die Beratungsthemen wie Arbeit weg, Lebenssinn weg, Depressionen, Ängste, Wochenendbeziehungen aufgrund von weit entfernten Arbeitsorten, Zunahme der finanziellen Not, Einsamkeit bei schwindender Solidarität unter den Menschen zeigt unter anderem, dass Beratungsstellen wie Seismographen der Gesellschaft sind. Dort wird deutlich sichtbar, wie es den Menschen geht und wie sie sich in unserem Land, vor allem auch in Ostdeutschland, fühlen.
"Arbeitslosigkeit löst eine Kettenreaktion aus", erklärt die Beraterin. Schulden entstehen und Familienkonflikte sind meist vorprogrammiert, nicht zuletzt durch das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Wenn Frau Lattig hier durch Hinterfragen der Vorlieben des Betroffenen auf ein mögliches Ehrenamt hinweist, kommt schon mal die Antwort: "Ich will kein Ehrenamt, ich will Arbeit." Allerdings führe manchmal die Erkenntnis, dass das Leben ohne Erwerbsarbeit noch lange nicht sinnlos ist, dazu, dass die Betroffenen zufriedener und stabiler würden und damit auch leichter einen neuen Job finden.
Klare liebevolle Grenzen
Große Unsicherheiten stellt Veronika Lattig bei der Erziehung der Kinder fest. Früher sei klarer gewesen, dass die Eltern das Sagen haben. Heute wissen Eltern oft nicht, wie sie ihre Kinder erziehen sollen. Veronika Lattig spricht mit ratsuchenden Eltern gern über Dinge, die Kinder brauchen, wie Zuwendung, Sicherheit und Unterstützung für das, was sie tun und was sie gut können, "Kinder brauchen Schutz und Kinder brauchen klare liebevolle Grenzen."
"Grundsatz meiner Arbeit ist die Gewährung von 'Hilfe zur Selbsthilfe'", sagt Veronika Lattig. Sie kann nicht sagen, wie sie die Ehe retten kann, sondern die Menschen müssen bereit sein, sich mit ihr gemeinsam auf den Weg zu machen und nach erfüllenden Lösungen suchen.
Katholische Ehe-, Familien- und Lebensberatung ist eingebunden in den kirchlichen Dienst, sie ist Sorge um den ganzen Menschen, sie ist Seelsorge. Das christliche Menschenbild veranlasst uns, Menschen für das Leben wieder zu gewinnen: "...damit sie das Leben haben und es in Fülle haben." (Joh.10,10)
"Für die Arbeit der EFL-Beratung hoffen wir für die Zukunft, dass dieser Dienst an den Menschen von unseren Trägern auch als seelsorglicher Dienst gesehen wird und diese Arbeit weiter gehen kann."(V.L.)
INFO:
EFL-Beratungsstelle
Südstraße 1
03046 Cottbus
Telefon: 03 55 2 50 64
E-Mail: Verwaltung.EFL@caritas-cottbus.de