Ehrenamt für Geflüchtete – trotz Corona
Was war für Sie der emotionalste Moment in der Weimarer Ehrenamtskoordination?
Als wir im Sommer nach dem ersten Lockdown das Café International wiedereröffnet haben. Das Haus war endlich wiederbelebt und laut. Das war sehr bewegend.
Was genau bedeutet das Café International für seine Gäste?
Für viele ist das Café ein sehr wichtiger Ort der Begegnung, und die Geflüchteten kommen gerne hierhin. Es ist ein Ort des Austauschs und geselligen Beisammenseins, wo es auch mal bei einer Runde "Mensch, ärgere dich nicht!" zur Sache geht. Übrigens wäre das Café ohne die Mitarbeit von Ehrenamtlichen undenkbar! Denn es sind Ehrenamtliche, die Kuchen backen und spenden und an die Gäste austeilen. Das Café ist für das Gemeinschaftsgefühl der Weimarer Flüchtlingssozialarbeit essenziell.
Gab es 2020 eine besondere Geschichte eines Geflüchteten, die Sie mit uns teilen möchten?
Oh, da gibt es mehrere Geschichten. Ich nenne mal eine: Wir haben eine Familie aus den Balkanstaaten, die in der Heimat Diskriminierung aufgrund ihrer Ethnie erfahren hatte. Sie wohnen hier in Weimar und haben eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt. Da die Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer gelten und kein Aufenthalt genehmigt wurde, haben wir den Fall an die Härtefallkommission gegeben. Wichtig dabei waren Fragen wie: Kann die Familie ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern? Können die Familienmitglieder gut Deutsch sprechen?
Etwa zur gleichen Zeit kam eine junge und neue Ehrenamtliche auf mich zu, die arbeitssuchend war. Sie wollte in dieser Zeit gerne etwas machen und sich gesellschaftlich einbringen. Gemeinsam mit meiner Kollegin, die als Sozialarbeiterin die Familie betreut, habe ich sie dann zur Familie vermittelt. Sie haben mehrmals in der Woche gemeinsam Deutsch geübt. Es war wirklich ein intensives Ehrenamt. Das viele Pauken hat sich gelohnt - die Familie darf bleiben. Wir waren alle sehr erleichtert, und die Ehrenamtliche war wahnsinnig glücklich, dass ihr freiwilliges Ehrenamt mit Erfolg gekrönt war. Solche Geschichten haben wir im letzten Jahr mehrfach erlebt.
Was war 2020 noch sehr aufregend und emotional?
Durch die Schließung des Cafés hatten einige Ehrenamtliche plötzlich eine Pause. Wir haben versucht, gemeinsam zu schauen, inwieweit Ehrenamt trotzdem möglich ist. Es gibt zum Beispiel zwei Frauen, die jahrelang einen Deutschkurs für Frauen ehrenamtlich gegeben haben. Sie kamen auf mich zu, und wir haben gemeinsam geschaut, was nun in dieser Phase möglich ist. Die eine lernt gerade zusammen mit einer Flüchtlingsfrau Deutsch über digitale Medien und bereitet sie so auf die nächste Prüfung vor. Die andere, eine pensionierte Ärztin, begleitet eine Frau in ihrer Umschulung zur Altenpflegerin. 2020 erforderte sehr viel Flexibilität von uns.
Ich hoffe sehr, dass wir auch langjährige Ehrenamtliche halten können, die nun längere Zeit nicht mehr bei der Caritas vor Ort sein konnten. Das betrifft vor allem Freiwillige in der Kinderbetreuung. Wichtig ist, dass trotz der räumlichen Distanz der Kontakt zwischen Ehrenamtlichen und der Caritas nicht abbricht.
Gab es etwas, das Sie im vergangenen Jahr beeindruckt hat?
Es haben sich wahnsinnig viele junge Menschen für ein Ehrenamt interessiert! Im ersten Lockdown mussten zum Beispiel einige ihr Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) im Ausland abbrechen, und sie fragten dann bei der Caritas an. Die meisten wurden in die Online-Schülernachhilfe vermittelt. Eine junge Ehrenamtliche setzte ihr FSJ nach den Lockerungen dann in Frankreich im Sommer fort. Sie gab aus der Ferne weiterhin Online-Nachhilfe. Das fand ich klasse! Insgesamt haben sich viele junge Menschen gemeldet und üben nun ein Ehrenamt aus. Ich denke, die Pandemie ist auch eine Chance für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Durch die vielen Einschränkungen richten die Menschen den Blick nach innen und stellen sich die Frage: Wie kann ich anderen helfen, die von der Pandemie starker betroffen sind als ich? So wurde doch ein Stück weit das Gemeinschaftsgefühl durch die Pandemie neu bestimmt. Trotz oder vor allem aufgrund des verrückten Jahres hatten wir in Weimar einen starken Zuwachs an Ehrenamtlichen.