Als der Pfarrer der katholischen Basilika St. Ulrich und Afra in Augsburgs Innenstadt, Christoph Hensler, nach Königsbrunn kam und um dort seine ersten Weihnachtsgottesdienst am 25.12.2016 zu zelebrieren, waren seine Gemeindemitglieder aus dem Caritas-Seniorenzentrum St. Verena bereits sieben Stunden dort im Caritas-Seniorenzentrum St. Hedwig, manche bereits seit dem vergangenen Freitag. Am ersten Weihnachtsfeiertag waren die meisten zu Fuß oder im Rollstuhl morgens um 6.45 Uhr zum Ulrichsplatz aufgebrochen. Von dort fuhren sie mit dem Bus nach Königsbrunn.
Hensler sollte später in seiner Predigt davon sprechen, dass die alten Menschen aus St. Verena zwar ihr
Haus verlassen hätten, aber gleichzeitig in St. Hedwig zur Familie gehörten und sich deshalb auch dort wie zuhause fühlen könnten. Susanne Jonas, Einrichungsleiterin des Caritas-Seniorenzentrum St. Hedwig, das zur CAB Caritas Augsburg Betriebsträger gGmbH gehört wie St. Verena, konnte davon erzählen, was alles dafür getan worden war, damit die alten Menschen aus Augsburg sich bei ihr im Haus in Königsbrunn wohlführen konnten.
Seitdem die Evakuierung am vergangenen Mittwoch angeordnet worden war, hatte es ständig Absprachen mit der Geschäftsstelle der CAB in der Augsburger Moltkestraße gegeben, dann mit den Pflegedienst- und Hauswirtschaftsleitungen beider Häuser, dann hätte es weitere neue Entwicklungen gegeben, die wieder besprochen werden mussten.
Am Weihnachtsfeiertag schließlich waren alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ab 5.30 Uhr im Dienst. „Davor war die Begeisterung nicht groß, zu Weihnachten arbeiten und dann so viel arbeiten zu müssen. Heute war davon nichts mehr zu spüren. Alle waren voll und ganz sowie mit Begeisterung dabei“, lobte sie ihr ganzes Team. Auch die Bewohnerinnen und Bewohner hätten Lob verdient.
Schon am Freitag hätten die 22 Bewohnerinnen und Bewohner im dritten Stock sich ohne Murren auf andere Wohngruppen verteilen lassen, damit die schwer dementiell erkrankten Bewohnerinnen und Bewohner der beschützten Gruppe Lebensglück von St. Verena über die Zeit der Evakuierung hinweg wieder in einem geschützten Rahmen ihre Zeit verbringen konnten und die Pflege- und Betreuungskräfte sich in aller Ruhe um sie kümmern konnten. Andere BewohnerInnen, die von ihren Angehörigen aufgenommen worden waren, gaben ihre Zimmer frei für die Gäste.
Die 70 Gäste von St. Verena wurden schließlich verteilt auf den Saal und den Raum der Cafeteria wie auch auf den dritten Stock. Der Raum der ehemaligen Kapelle wurde eigens geheizt. Sofas und Stühle wurden aufgestellt, „damit die Gäste sich auch im Haus etwas hin und her bewegen wie auch Ruhe für sich finden konnten“, so Jonas.
50 Matratzen und die nötige Bettwäsche wie auch Decken hatte Jonas zusätzlich für den Fall einer notwendig gewordenen Übernachtung organisiert. Eine ganze Reihe von Tagesrollstühlen hatte sie ebenfalls kommen lassen, genauso wie zusätzliche Hygienemittel und Medikamente. „Ein enorm hoher organisatorischer Aufwand.“ Zweifel daran, ob das richtig war, ließ sie nicht aufkommen. „Alles andere wäre unverantwortlich gewesen.“
Bestätigt kann sie sich durch so manche Hilfen auch von Bewohnerinnen fühlen. Mit Augenzwinkern erzählte sie davon. Eine 99-jährige Dame, „die es sonst nicht so mit uns hat“, hätte sofort ihr Bett angeboten. „Ich schlafe dann im Stuhl“, so ihr Angebot. Andere Bewohnerinnen und Bewohner, die bei Angehörigen das Weihnachtsfest verbringen konnten, hatten ebenfalls ihr Zimmer für „Gäste aus Augsburg“ angeboten. Eine hochbetagte Frau, die nun im Caritas-Seniorenzentrum lebt, habe andere zu beruhigen verstanden und nüchtern und sachlich gesagt: „Als junger Mensch bin ich in Augsburg dreimal ausgebombt worden. Das hier ist jetzt halb so wild.“
Es war wohl diese Stimmung, die Pfarrer Hensler dann im Gottesdienst spürte. Normalerweise sei man gewohnt, das Weihnachtsfest mit einer romantischen Stimmung zu verbringen. „Doch heute ist uns diese Romantik genommen“, sagte er in Bezug auf die Evakuierung. „Aber vielleicht können wir dadurch das eigentliche Weihnachten feiern, das Weihnachten, das daran erinnert, dass mit Jesus Christus der wahre Sinn des Lebens in die Welt gekommen sei.“ Daran wolle das Weihnachtsfest erinnern, dass man sich daran aufrichten könne in Angst und Not. Vor dem Hintergrund der Bombe in Augsburg, die Schreckliches hätte bewirken können, erinnerte er die Gottesdienstgemeinde in der Kapelle von St. Hedwig daran, dass die Menschen in Aleppo in Syrien mit Bomben leben müssten, genauso wie viele Christen in der Welt, die nur mit Angst vor einem Anschlag das Weihnachtsfest feiern könnten. „Deshalb gilt es für uns alle, egal wer, dass wir in unserem Umfeld Friedensstifter werden.“