Zwischen Trauer und Schmerz, Vergessen und Erinnern: Achim Conrad als demenzkranke alte Frau in dem Solo-Stück „Du bist meine Mutter“, das im Altenheim St. Michael in Waldniel aufgeführt wurde.Caritas / Balsen
"Warum soll ich denn meine Strickjacke anziehen?", fragt die Mutter. "Weil wir in den Garten gehen", antwortet ihr Sohn, der sie jeden Sonntag im Pflegeheim besucht. Die demenzkranke Frau versteht die Welt nicht mehr: "Ich soll mit einer Strickjacke in den Garten???" Es sind alltägliche Dialoge wie dieser, in denen die zunehmende Verwirrtheit der Mutter deutlich wird. Der Niederländer Joop Admiral hat das Solo-Stück vor fast 45 Jahren geschrieben und darin die Erfahrungen mit seiner eigenen Mutter verarbeitet, die in einem Pflegeheim lebte. Es ist eine Geschichte von Liebe und Abschied.
Seit mehr als 25 Jahren ist Achim Conrad mit "Du bist meine Mutter" unterwegs. "Es ist mein Leib- und Magenstück geworden", sagt der 1965 geborene Schauspieler. Er übernimmt beide Rollen, die des fürsorglichen Sohns und die der kindlich gewordenen Mutter, und wechselt in Sekundenschnelle hin und her. Die alte Frau lebt in der Erinnerung. Für den Sohn sind die Gespräche mit ihr Zeitreisen. Immer wieder wird deutlich, wie sehr sich die Mutter durch ihre Krankheit verändert hat. Einmal fragt sie ihren Sohn nach Albert Einstein. "Das war ein Gelehrter, der brachte die Zeit durcheinander", antwortet er. "Genau wie ich", sagt die Mutter. - "Ja, genau wie du."
Das bewegende Stück thematisiert das sich ändernde Verhältnis zwischen der Mutter und ihrem Kind angesichts von Demenz und Vergessen. Mit einer Mischung aus Melancholie und leiser Komik, aus Fürsorge und Hilflosigkeit, aus Empathie und Trauer, aber auch aus Enttäuschung und Angst brachte Achim Conrad seinem Publikum das Thema Demenz nahe. Wie sehr "Du bist meine Mutter" die Wirklichkeit widerspiegelt, berichtete Zuschauerin Brigitta Lausen, die seit einigen Monaten im Altenheim St. Michael lebt: "Das ist ein Stück, wie ich es fast jeden Tag bei alten Menschen erlebe", sagte die 86-Jährige, die von der Aufführung begeistert war. Das bestätigte Einrichtungsleiter Dominik Hammann. "Es war sehr ergreifend. Die Mutter durchlebt immer wieder die einschneidenden Ereignisse in ihrem Leben. Mich hat beeindruckt, wie lange es der Sohn geschafft hat, nicht wütend zu werden", erklärte er. Das Stück sei eine Bereicherung für jede Pflegekraft und für die Angehörigen von an Demenz erkrankten Menschen.
Sehr berührt war auch Grazyna Palowski. "Ich habe viel wiedererkannt von meiner eigenen Mutter, die bald 82 wird", sagte die Sozialarbeiterin: "Sie weiß am Telefon, wer ich bin, aber nicht, wenn ich vor ihr stehe." Der Umgang mit der Krankheit sei sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen sehr schwierig. "Man muss viel aushalten", erläuterte Grazyna Palowski. Nachdenklich fügte sie hinzu: "In mir löst es auch Angst aus, weil ich manchmal denke: Wirst du vielleicht auch so?"