Diskutierten Erfahrungen bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt (von rechts): Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig, Heinrich Westerbarkey (Diözesan-Caritasverband) und Margret Schwede (Vorstand IN VIA Paderborn). (Foto: cpd / Jonas)
Die Arbeitslosigkeit von Flüchtlingen macht sich in diesem Jahr erwartungsgemäß stärker in der Arbeitsmarktstatistik bemerkbar. Die Zahl der Arbeitslosen aus den acht zuzugsstärksten Herkunftsländern stieg seit Juni 2015 NRW-weit um mehr als das Zweieinhalbfache auf 58.283 Personen. Das zeigt der aktuelle von der Wohlfahrtspflege in NRW herausgegebene Arbeitslosenreport NRW. Die gleiche Tendenz ist auch in den Kommunen und Kreisen des Erzbistums Paderborn festzustellen. Lag die Zahl der Arbeitslosen aus den zuzugsstärksten Asylherkunftsländern hier im Juni 2015 noch bei rund 5.532 Personen, stieg sie im Juni 2017 auf 15.584 Personen an.
Der Anstieg erkläre sich aus der Tatsache, dass Flüchtlinge erst nach dem Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis einen Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen hätten, erklärte Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig, der auch Vorsitzender des Ausschusses Arbeit/Arbeitslosigkeit der Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen ist. Gleichzeitig sei aber auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus den Hauptherkunftsländern gestiegen - von September 2015 bis September 2016 im Erzbistum Paderborn um 52 Prozent auf 5.627 Personen.
Erfolgreich bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt seien vor allem die individuelle Förderung und ein persönliches Coaching, sagte Lüttig. Das zeigten Erfahrungen des Caritas-Fachverbandes IN VIA. So fördert der Verband in Paderborn seit 2015 jugendliche Flüchtlinge in Kooperation mit dem Gregor-Mendel-Berufskolleg in der berufsorientierten Praxisstufe "BonVIA". Mit finanzieller Unterstützung des Erzbistums Paderborn wurden im vergangenen Jahr von neun Teilnehmern zunächst vier in eine Ausbildung vermittelt, in diesem Jahr beginnen vier weitere eine Ausbildung. "Ohne enge individuelle Begleitung würde das nicht funktionieren", sagt IN-VIA-Vorstand Margret Schwede. "Förderung mit der Gießkanne hilft meist nicht." Das zeigt auch das Beispiel von Shogine Kamoyan (40). In nur sieben Monaten lernte die Armenierin bei IN VIA in einer speziellen berufsbezogenen Sprachförderung hervorragend Deutsch. Die Englisch-Lehrerin und zweifache Mutter erhält jetzt die Chance, sich an der Uni Bielefeld im Rahmen des Programms "Lehrkräfte Plus" für eine Stelle als Lehrerin in Deutschland zu qualifizieren.
Denn die mitgebrachte Qualifikation der Flüchtlinge ist nach der aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit mehrheitlich für eine Integration in den Arbeitsmarkt noch nicht ausreichend. Das gilt auch für die Kommunen und Kreise im Erzbistum Paderborn. Zwar bringen 18 Prozent ein überdurchschnittlich hohes schulisches Bildungslevel durch Abitur oder Hochschulreife mit. Allerdings ist der Anteil an Flüchtlingen ohne Hauptschulabschluss mit 48 Prozent vergleichsweise hoch. Im Erzbistum liegt dieser Anteil noch einmal um zehn Prozent höher als im Landesdurchschnitt. Dabei schwanken die Zahlen aber stark in den Regionen. In Lippe und im Kreis Gütersloh liegt der Anteil an Flüchtlingen ohne Hauptschulabschluss sogar bei über 60 Prozent, wogegen er in den Kreisen Siegen-Wittgenstein und Soest unter 20 Prozent liegt. Bei vielen Flüchtlingen ist von einem großen Bildungspotential auszugehen. Denn in NRW sind 62 Prozent jünger als 35 Jahre.
Für Josef Lüttig liegt es auf der Hand: "Es muss engagiert in die Qualifizierung von jüngeren Arbeitslosen investiert werden. Sprachförderung, die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen und Investitionen in berufliche Qualifizierung und Berufsausbildung sind wichtige Beiträge für eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration." Nachteilig sei, dass für Flüchtlinge bisher hauptsächlich eher kurze Maßnahmen angeboten werden. Auch in den Kommunen und Kreisen des Erzbistums Paderborn umfassten diese im März 2017 70 Prozent aller arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen für Flüchtlinge. "Diese kurzen Maßnahmen können lediglich einen Beitrag zur ersten Orientierung am deutschen Arbeitsmarkt leisten", sagt Josef Lüttig. Wichtig seien vielmehr eine kontinuierliche Begleitung und ein individuelles Coaching. Die Jobcenter brauchten zusätzliche Finanzmittel aus Berlin, mit denen auch mehrjährige Fort- und Weiterbildungen finanziert werden könnten.
Hintergrund "Arbeitslosenreport NRW":
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den "Arbeitslosenreport NRW". Darin enthalten sind aktuelle Zahlen und Analysen für NRW; Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Jede Ausgabe widmet sich einem Schwerpunktthema. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter www.arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut für Bildungs- und Sozialpolitik (IBUS) der Hochschule Koblenz. Ziel der regelmäßigen Veröffentlichung ist es, den öffentlichen Fokus auf das Thema Arbeitslosigkeit als wesentliche Ursache von Armut und sozialer Ausgrenzung zu lenken, die offizielle Arbeitsmarkt-Berichterstattung kritisch zu hinterfragen und die Situation in NRW zu beleuchten.