Caritaspräsidentin Eva Welskop-Deffaa, Expertin in der Arbeitsgruppe Bildung und Soziales der "Initiative für einen handlungsfähigen Staat" zum Abschluss der Initiative, die am Montagmorgen, 14.7.2025, ihrem Schirmherrn - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier - den finalen Bericht vorlegen wird:
Staatsreform braucht Gerechtigkeit und Vertrauen - die Zukunft der Demokratie entscheidet sich am responsiven Selbstverständnis der handelnden Institutionen
"Empathie und Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger sind elementare Voraussetzungen guter öffentlicher Verwaltung. Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat setzt nicht auf einen technokratisch abzuarbeitenden Katalog von Einzelmaßnahmen zur Steigerung bürokratischer Effizienz, sondern auf praxisorientierte Guidelines für die ausführenden Institutionen unseres (Sozial-) Staats, in die vertrauen zu können, Grundlage unserer demokratischen Ordnung ist."
Die Einsetzung der Initiative für einen handlungsfähigen Staat war ein kluger Schritt, um über drängende Fragen von Staatsreform, Demokratie und Handlungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung "out of the box" ins Gespräch zu kommen. Ich bin beeindruckt, wie energisch die Initiatoren den Diskussionsprozess unter Berücksichtigung der vorgezogenen Bundestagswahl beschleunigt und jetzt zum Abschluss geführt haben. Der Koalitionsvertrag hat mit gutem Grund an mehreren Stellen ausdrücklich auf Empfehlungen des Zwischenberichts Bezug genommen - die Einrichtung eines Ministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung und die Verpflichtung auf eine ressortübergreifende gute Zusammenarbeit in der Bundesregierung sind offenkundig auf Empfehlungen der Initiative zurückzuführen.
Wider die Kontrollwut
Ein handlungsfähiger Staat braucht vor allem eines: das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger. Es geht um das Vertrauen in seine Leistungskraft und in die Fairness seines Handelns. Dieses Vertrauen ist heute gezielten populistischen Angriffen ausgesetzt, die Unbehagen und schlechte Erfahrungen der Bürger aufblasen und skandalisieren. Eine von Anfang an vollzugsorientierte Gesetzgebung, die sorgsam abwägt und Verteilungswirkungen transparent macht, ist zur Gegenwehr unerlässlich. Gute Gesetze sind verständlich, sie verzichten auf ein Übermaß an Kontrolle und ersparen wuchernde Bürokratie.
Die Vorschläge des Zwischenberichts wiesen gerade auch mit der Vereinheitlichung der Begriffe im Sozialrecht in die richtige Richtung. Sozialstaatliche Leistungen müssen so ausgestaltet werden, dass sie nachvollziehbar sind und als fair angesehen werden können. Sozialstaatliche Leistungen- etwa die neue Grundsicherung für Arbeitssuchende - müssen Menschen, die in Not geraten, ermutigend helfen. Transparente Regelungen statt kleinteiliger Einzelfallprüfungen sind zu entwickeln - es geht um eine Kultur der Unterstützung statt überzogener Sanktionsroutinen, die Ressourcen in der Verwaltung unnötig binden.
Verteilungsgerechtigkeit und Demographie
Auch die Finanzierung staatlicher Aufgaben braucht Nachvollziehbarkeit und Plausibilität, Reformen werden nicht gelingen, wenn Fragen der Verteilungsgerechtigkeit unbeantwortet bleiben. Der Eindruck, dass sich die der Besteuerung entziehen, die mit ihrem Einkommen einen besonders großen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten könnten und sollten, sät Misstrauen und untergräbt die Zustimmung in unsere staatlichen Institutionen. Steuerbetrug zu bekämpfen, wie es die Initiative fordert, ist nur die Spitze des Eisbergs. Es geht auch darum unser Steuersystem weiterzuentwickeln, etwa indem mit einer Reform der Erbschaftssteuer Fragen der Verteilungs- und Generationengerechtigkeit neu beantwortet werden.
Sicherheitsarchitektur
Schon der Zwischenbericht der Initiative hat der äußeren Sicherheitslage eine große Aufmerksamkeit geschenkt und für ein neues Verständnis von Verteidigung und Verteidigungsbereitschaft geworben. Militärische und zivile Resilienz sind gemeinsam zu stärken. Mit der Wehrdienstnovelle, die Bundesverteidigungsminister Pistorius gerade vorbereitet, wird hier sehr bald zu sehen sein, ob die Empfehlungen verstanden wurden. Eine Reform des Wehrdienstes muss eingebettet sein in éin Gesamtkonzept der Resilienzdienste. Die Initiatoren der Initiative werben in diesem Sinn für ein verpflichtendes Dienstjahr. Wir als Caritasverband setzen uns für einen attraktiven freiwilligen Resilienzdienst ein, der bei der Bundeswehr, im Zivilschutz oder in den Einsatzstellen der klassischen Freiwilligendienste geleistet werden kann. Es lohnt sich im freiheitlichen Staat dafür zu werben, unsere Demokratie gegen äußere, innere und soziale Gefährdungen gemeinsam, freiwillig und engagiert zu verteidigen.