Grenzenloser Support
Ärger mit dem Chef, Stress mit der Freundin, und die Bank hat auch schon wieder angerufen! Nicht immer läuft alles geschmeidig. Manchmal sind Probleme das ganz normale Leben. Gut, wenn man dann jemanden hat, der nicht nur zuhört, sondern auch noch helfen kann. So wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Fanprojekts Paderborn am Frankfurter Weg. Sie kümmern sich um junge Menschen, die genau solche und manchmal noch ganz andere Schwierigkeiten haben. Was das mit Caritas zu tun hat? Eine ganze Menge. Seit 2012 ist der Caritasverband Paderborn Träger dieses Fanprojektes.
Die Fans eint die Liebe zum SC Paderborn
Viele der Fußball-Fans, die sich in den Räumen am Frankfurter Weg treffen, eint nicht nur der ganz normale Wahnsinn im Alltag, sondern vor allem die Liebe zum SC Paderborn 07. So wie Johannes (Name geändert), der noch mitten in der Ausbildung steckt und seit vier Jahren einen Großteil seiner Freizeit in den Räumen am Frankfurter Weg verbringt. "Als SCP-Fan kommst du irgendwann am Fanprojekt nicht mehr vorbei", sagt der 19jährige, "wenn du im Stadion richtig mitmachen willst und neue Kumpels suchst, landest du zwangsläufig hier". Und das meint er im besten Sinne. Für die meisten Ultras des SCP07 ist das Fanprojekt die erste - und oft auch einzige - Anlaufstelle. Hier werden Choreos vorbereitet, Aktionen geplant oder einfach nur gequatscht. Eben auch über Alltagsprobleme. "Als ich umgezogen bin, wollte mein alter Vermieter mir die Kaution nicht zurück zahlen", erzählt Johannes, "die vom Fanprojekt haben mit mir zusammen eine Mail geschrieben und das Geld kam."
Ein spannender Job
Anna Manegold und ihr Team sind "die" vom Fanprojekt. Menschen, die zuhören und helfen können. Als Sozialarbeiter*innen sind sie für das Fanprojekt Paderborn tätig. Sie kennen den Alltag junger Menschen und sind doch selbst oft genug überrascht. "Du weißt nie, was kommt", sagt Anna Manegold, Leiterin der Einrichtung. "Wir decken ja nicht nur einen Teilbereich wie Drogen oder Armut ab wie in anderen Sozialeinrichtungen. Genau das macht diesen Job so spannend." In den Räumen am Frankfurter Weg befinden sich nicht nur die Büros von Anna Manegold und ihren drei Kollegen Benjamin Rühl, Hannes Wichmann und Marvin Schuck. Hier gibt es auch den "freiRaum", Räumlichkeiten, die allen jungen Menschen zur Verfügung stehen. Sei es zum Hausaufgabenmachen, Playstation spielen oder einfach nur chillen und über die letzten Ergebnisse diskutieren. Hier werden aber auch kulturelle und soziale Unternehmungen angestoßen: Gleich zu Beginn des Ukraine-Krieges 2022 wurde eine der ersten Hilfsaktionen organisiert. Ein ganzer LKW voller Spenden verließ bereits im März Paderborn. Mit Reporter-Legende Werner Hansch wurde im VIP-Raum des SCP eine Lesung veranstaltet, in der der heute 84-Jährige tiefe Einblicke in seine Glücksspielsucht gab. Und in diesem Jahr sollen unter anderem in einem Altenheim die Wände mit Graffitis künstlerisch gestaltet werden. Erfahrung haben Johannes und seine Freunde bereits. Die Graffitis in den Räumen des Fanprojektes sind ihr Werk.
Das Caritas-Team begleitet die Fans bis ins Stadion
Dabei agiert das Fanprojekt unabhängig vom Fußball-Verein SC Paderborn 07. "Erst einmal sind wir keine Fans, sondern Sozialarbeiter", erklärt Benjamin Rühl, Sozialarbeiter und Sozialpädagoge. Immer wieder müssen die Mitarbeiter mit dem Irrtum aufräumen, das Fanprojekt sei von Fans initiiert und gehöre zum Verein. "Wir sind völlig unabhängig, nur unser Arbeitsplatz ist an Wochenenden eben das Stadion." Und das sowohl zuhause wie auch auf Auswärtsfahrten.
"Wir begleiten die Fans bis ins Stadion. Wenn es Ärger gibt mit Ordnern, Polizei oder gegnerischen Fans, versuchen wir deeskalierend einzuwirken". Auch wenn die Anhänger des SCP07 wahrlich nicht zu den gewaltbereiten in der Szene gehören, ganz ausschließen lassen sich Konflikte nicht. "Mit der Zeit hat man einen Blick für aufkommende Konflikte entwickelt", sagt Hannes Wichmann, "da siehst du schnell, ob es gleich Streit gibt." Den gibt es in Paderborn zum Glück selten. "Wir wollen keine Gewalt, wir wollen den SC Paderborn so gut es geht unterstützen", sagt auch Johannes und ergänzt: "Unser Support ist grenzenlos, aber Gewalt oder rechtspopulistische Tendenzen lehnen wir ganz klar ab. Damit will keiner von uns etwas zu tun haben."
Fanprojekte verhindern Gewalt
Damit das so bleibt, gibt es in Paderborn und deutschlandweit eben diese Fanprojekte. Die Erfolge dieser Einrichtungen - gerade bei der Gewaltprävention - sind unbestritten. Dennoch gibt es immer wieder Diskussion um sie - besonders in finanzieller Hinsicht. Dabei trat ausgerechnet der Deutsche Fußball-Bund mit der Ankündigung die Mittel zu kürzen in Erscheinung. Der DFB ist für alle Fanprojekte unterhalb der Bundesligen zuständig. Nur auf massiven Druck aller anderen Beteiligten konnte dieses Vorhaben gestoppt werden.
"Hände weg vom Fanprojekt" ist auch in Paderborn ein oft gehörter Slogan. "Für viele ist das Fanprojekt der Dreh- und Angelpunkt", sagt Johannes, "für manche ist es vielleicht sogar eine Art Ersatzfamilie." Eine Familie, in der Mädchen und Frauen noch unterrepräsentiert sind. Denn noch treffen sich im Fanprojekt Paderborn größtenteils junge Männer. "Natürlich sind wir für alle offen, wir kümmern uns um jede und jeden", sagt Anna Manegold. Und das am besten so, dass es erst gar nicht zu Gewalt oder Stadionverboten kommt. "Wir sind neutrale Vermittler zwischen Fans, Verein und den Behörden." Dafür sind Johannes und seine Kumpels durchaus dankbar. "Das Fanprojekt ist unser Sprachrohr zum Verein. Ohne sie wäre vieles viel schwieriger." Im Stadion und im Leben allgemein.
Info
Das Fanprojekt Paderborn gibt es seit 2012. Es befindet sich in der Trägerschaft des Caritasverbandes Paderborn. Finanziert wird es durch die Deutsche Fußball Liga (DFL), das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (MKJFGFI) sowie Stadt und Kreis Paderborn.
Aufgabe aller Fanprojekte in Deutschland ist es, die Entwicklung einer positiven Fankultur zu unterstützen. Zugrunde liegen oftmals gesellschaftliche Phänomene wie Gewalt, rassistische und/oder rechtsextreme Tendenzen sowie der Konsum legaler oder illegaler Suchtmittel. Die Arbeit des Fanprojektes orientiert sich an den Vorgaben des "Nationalen Konzeptes - Sport und Sicherheit" (NKSS). Die kontinuierliche soziale Arbeit mit jungen Menschen ist ein wichtiger Pfeiler zur Stärkung einer positiven Fankultur geworden.
Der Unterschied zwischen Ultras und Hooligans
Junge Menschen aus der Zielgruppe des Fanprojekts Paderborn widmen den größten Teil ihrer Freizeit der Liebe zum SC Paderborn 07. Viele von ihnen sind Allesfahrer, besuchen jedes Spiel ihrer Mannschaft. Sie sind oft kreativ, gehören aber zu einer gesellschaftlichen Gruppe, die regelmäßig mit negativen Erscheinungsformen wie Gewalt und Rassismus in Verbindung gebracht wird. Die Mehrheit dieser Menschen bezeichnet sich selbst als "Ultras". Dabei handelt es sich fast ausschließlich um männliche Fußballfans bis 27 Jahren.
Hooligans (englisch für Schläger/Raufbold) dagegen sind (junge) gewaltbereite Menschen, die im Umfeld von Sportveranstaltungen gezielt Auseinandersetzungen mit anderen Sportfans oder der Polizei suchen. Auch für diese Gruppe steht das Fanprojekt Paderborn - so wie alle anderen Fanprojekte - als Ansprechpartner zur Verfügung.