30 Jahre Caritas-Wärmestube
Ein verlockender Duft nach Gulasch und Rotkohl strömt nach draußen über den Gehweg. Es ist einer dieser kalten, zugigen Berliner Dezemberabende vor Weihnachten, an denen man ungern unterwegs ist. Es sein denn, man hat kein Zuhause oder eines, das man nicht genügend heizen kann, weil das zu teuer geworden ist. Dann bietet sich die Caritas-Wärmestube am Bundesplatz/Ecke Tübinger Straße an. Dort kann man sich nicht nur aufwärmen, sondern auch etwas Warmes essen und trinken sowie Kontakte knüpfen. Für die Bewirtung sorgen 16 Ehrenamtliche, dazu kommen regelmäßig freiwillig engagierte Schülerinnen und Schüler. Manfred kommt regelmäßig hierher: "Man kann hier zwanglos Leute treffen", sagt er. "Ein nicht kommerzialisierter Ort. Ich wünsche mir, dass es davon mehr gibt in der Stadt."
Die Leiterin der Wärmestube, Angelika Kaljic, legt großen Wert darauf, dass sich ihre Gäste wohlfühlen. "Hier gibt es nicht nur Eintopf. Das Essen variiert täglich, es ist Bio-Qualität und darauf legen wir großen Wert. Im letzten Jahr habe ich mal eine Wunschliste von den Gästen erstellen lassen. Zum großen Teil kommen wir ihren Geschmäckern nach." Allerdings gibt es klare Regeln: "Wer hier betrunken auftaucht oder herum pöbelt, wird weg geschickt", sagt sie.
Andreas, 59, schätzt diese klaren Regeln. "Das Team hier ist sehr engagiert, die Mitarbeitenden haben Herz und Seele", meint er. In dem Moment kommt eine ehrenamtliche Mitarbeiterin an den Tisch, an dem er mit zwei anderen Gästen sitzt und fragt, was sie trinken möchten. "Das ist wie in einer Gaststätte hier", sagt er. Andreas hält sich mit Gelegenheitsjobs im Promotion-Bereich sowie als Filmkomparse über Wasser. "Ein schwieriges Geschäft im Moment", berichtet er. Deshalb sei er seit fast einem Jahr zum ersten Mal wieder in der Wärmestube.
Bernadette Feind-Wahlicht ist Leiterin des Fachbereichs "Caritas im Pastoralen Raum" im Erzbistum Berlin und unterstützt bei der Projektverwaltung. "Nach 30 Jahren brauchen wir die Wärmestube immer noch", betont sie und fügt hinzu: "Leider!"
1992 habe eine Caritas-Mitarbeiterin die Idee der Wärmestube aus den USA mitgebracht. Am Anfang seien hauptsächlich Männer gekommen. In letzter Zeit habe sich das sehr geändert. Immer mehr Frauen und ältere Menschen gehörten nun zu den Gästen. Viele von ihnen kommen mit ihrer schmalen Rente nicht über die Runden. So wie der 63-jährige Achim. Er hat Schlosser gelernt und auf dem Bau gearbeitet. Bei den aktuellen Preissteigerungen reiche seine Rente nicht mehr. Er ist gern hier. "Ich schätze es sehr, dass es hier entspannt ist und keinen Stress gibt", meint er.
Die Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping weiß, wie wichtig Orte wie die Wärmestube sind. Im letzten Sommer hat sie das "Netzwerk der Wärme" in der Stadt initiiert. Die Idee: Für die Menschen in Berlin sollten in der kalten Jahreszeit zahlreiche zusätzliche Räume zum Aufwärmen, für Begegnung und Austausch offenstehen. Orte, die es schon gab, aber auch solche, die neu entstanden sind. Dazu gehören unter anderem Sozialeinrichtungen wie die Caritas-Wärmestube, Bibliotheken, aber auch Clubs und Teeküchen von Unternehmen.
"Armut geht oft mit Vereinsamung einher", meint die Senatorin. "Wir Menschen sind jedoch soziale Wesen. Selbst wenn man sich am Anderen reibt und wenn er nervt, ist es schon wichtig, dass man zusammenkommt". Die Caritas sei einer der sozialen Akteure der Stadt, mit denen sie gern zusammenarbeite. "Dass ich heute hier bin zur Feier des 30-jährigen Bestehens der Caritas-Wärmestube ist ein Zeichen der Wertschätzung." Wie die Berliner Caritas-Direktorin Ulrike Kostka glaubt auch die Sozialsenatorin: "Eine Gesellschaft ohne Armut ist möglich. Wir fliegen ins Weltall und können die Armut nicht in den Griff kriegen?" Das sei nicht hinnehmbar.
Helmut, 64, nickt. Er hat in DDR-Kinderheimen Schlimmes erlebt, als Bauarbeiter gearbeitet und war vorübergehend obdachlos. "Die meiste Zeit war ich Lebenskünstler", sagt er. Das sei nun seit fünf Jahren vorbei. Damals erlitt er einen Schlaganfall. Seitdem ist seine rechte Seite gelähmt. Die Caritas-Wärmestube fängt ihn auf. Sie rettet ihn vor der Einsamkeit, wärmt seinen Magen mit nahrhaften Mahlzeiten und sein Herz mit menschlicher Nähe.
Text: Carmen Gräf
Weitere Informationen zur Caritas-Wärmestube am Berliner Bundesplatz