Jeder hat seine Geschichte
Wohnungslose leben mitten in der Gesellschaft, nicht selten in den belebten Straßen der Fußgängerzone. Gerade in großen Städten gehören sie dazu - und stehen doch außen vor. Wie viele es tatsächlich sind, weiß niemand ganz genau – denn sehr viele Betroffene leben „verdeckt wohnungslos”, sprich: sie wohnen provisorisch bei Freunden oder Bekannten, sind irgendwo untergekommen.
Offiziell gilt als wohnungslos, wer keine eigene Wohnung hat, wer eine Unterkunft zugewiesen bekommt, in Heimen oder Asylen übernachtet, bei Verwandten oder Freunden unterkommt, in einer Billigpension wohnt oder "Platte macht”.
Es gibt (noch) keine offiziellen Zahlen dazu, wie viele Menschen in Deutschland betroffen sind. Bald wird sich das ändern: Im Jahr 2022 wird das Statistische Bundesamt zum ersten Mal eine bundesweite Statistik dazu veröffentlichen. Bislang sind die Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) die einzig verfügbaren Zahlen. Demnach leben in Deutschland etwa 417.000 Wohnungslose (Stand: 2020). Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren stark gesunken. Das hat im Wesentlichen damit zu tun, dass Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften auch als Wohnungslose zählen. Ihre Zahl ist im Vergleich zu den Jahren 2015 bis 2017 stark zurückgegangen.
Die BAG W schätzt, dass etwa 48.000 Menschen ganz ohne Dach über dem Kopf auf der Straße leben.
Darüber hinaus gibt es immer mehr Menschen, die akut von Wohnungslosigkeit bedroht sind, weil sie zum Beispiel die steigenden Mieten nicht mehr bezahlen können.
Schlechtere Gesundheit - früherer Tod
Arbeitsplatzverlust, Scheidung, Krankheit – es sind Schicksalsschläge, die die Menschen oft unerwartet treffen. Wenn Rechnungen unbezahlt bleiben oder Schulden nicht mehr beglichen werden können, ist dann schnell die Wohnung weg. Wohnungslosigkeit hat oft eine traurige Vorgeschichte. Dazu kommt noch die Scham. Wer mag schon gern vor anderen zugeben, keine Wohnung, kein Geld und womöglich keine Arbeit mehr zu haben. Abgerutscht zu sein. Manch einem fehlt dann sogar der Mut, nach Hilfe zu fragen. Lieber improvisieren. Und beispielsweise bei Freunden oder Bekannten übernachten. So entsteht verdeckte oder versteckte Wohnungslosigkeit.
Das Leben ohne festen Wohnsitz ist hart. Geschätzte 60 bis 80 Prozent der Betroffenen sind süchtig und/oder psychisch krank. Menschen, die keine eigene Wohnung mehr haben und nur noch in Notunterkünften oder auf der Straße leben, sterben bis zu bis zu 30 Jahre früher als der Rest der Bevölkerung. Zudem haben sie häufig große Probleme, ihre Rechte auf Sozialleistungen, Bildung und medizinische Versorgung einzufordern.
20.000 Minderjährige sind wohnungslos
Zwei Drittel der Wohnungslosen sind männlich, etwa ein Drittel weiblich. 30 Prozent haben keine deutsche Staatsangehörigkeit - in den großen Städten beträgt dieser Anteil um die 50 Prozent. Die BAG W schätzt, dass 20.000 Kinder und minderjährige Jugendliche wohnungslos sind.
Zahlreiche Faktoren tragen dazu bei, dass Wohnungslosigkeit sehr viele Menschen betrifft. Zum einen sind die Preise für Wohnungen in Deutschland in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, zum anderen wurde der soziale – und damit bezahlbare – Wohnungsbau jahrelang vernachlässigt. Die Caritas fordert nachhaltige Maßnahmen zur Verbesserung der wohnungs- und sozialpolitischen Rahmenbedingungen und zur Wohnungsversorgung aller Wohnungslosen, inklusive der Flüchtlinge ohne Wohnungen. Die Vorsorgebemühungen der Kommunen und die Integrationsleistungen der Wohnungslosenhilfe sowie die Hilfsangebote der Wohlfahrtsverbände wie Caritas und Diakonie reichen dafür nicht aus.