Was Kinder ihre Eltern irgendwann fragen müssen
Frau Teusen, wann ist der richtige Zeitpunkt, die Pflege der Eltern anzusprechen?
Eigentlich jederzeit. Vorausgesetzt, man ist gut vorbereitet, wenn man fragt: Wie stellt ihr es euch denn vor, wenn ihr einmal nicht mehr selbst für euch sorgen könnt? Vorher müssen sich die Angehörigen ehrlich überlegen, inwieweit sie sich in die Pflege einbringen können. Sie sollten sich gründlich informieren, welche Möglichkeiten es noch gibt, und wie sie sich gestalten lassen.
Welche Fragen sollten die Kinder zuerst angehen?
Ganz oben stehen die nach Vollmachten und der Patientenverfügung. Letztere ist ein prima Einstieg, wenn man mit gutem Beispiel voran geht und sagt: Du, ich fülle für mich so einen Bogen aus. Willst du das auch machen? Danach kommen die Vollmachten: Wer soll sich um deine Steuererklärung kümmern, wenn du das nicht mehr kannst? Das bereitet den Boden für Gespräche, bei denen es ums Eingemachte wie die eigentliche Pflege geht.
Und wie lässt sich darüber reden?
Wichtig ist, die finanzielle Situation der Eltern zu kennen und diese mit deren Wünschen abzugleichen. Hegen sie vergebliche Hoffnungen auf eine Pflege durch die Familie, müssen die Kinder klar sagen: Aus diesen Gründen gibt es die Lösung nicht; wir müssen einen anderen Weg finden. Zugleich sollten sie nicht auf die sofortige Zustimmung der Eltern hoffen, sondern auf einen Denkprozess setzen: Etwa dazu, dass der Pflegedienst der Preis dafür ist, zu Hause und nicht im Heim versorgt zu werden.
Wie gehen die Gespräche dabei voran?
Nach dem Motto "steter Tropfen höhlt den Stein": Dabei läuft es besser, wenn Sie sich den Gesprächsverlauf hinterher immer vor Augen führen - was habe ich gesagt, und wie war die Reaktion darauf? Manchmal reicht es schon, sich nächstes Mal anders auszudrücken oder bloß eine Teilfrage anzugehen.
Besonders heikel wird es, wenn Vorwürfe kommen. Wie schützt man sich davor?
Indem man erwachsen wird, vielleicht noch ein Stück mehr als bisher. Es hilft, sich innerlich vor Augen zu führen: Ich bin zwar dein Kind, aber ich bin kein Kind mehr. Entscheidend ist, mit den Eltern auf Augenhöhe zu reden, weder unterwürfig noch von oben herab. Wer unsicher ist, sollte nachfragen: "Erklär mal, wie meinst Du das?" So können Missverständnisse vorgebeugt werden.
Wieso fallen Erwachsenen diese Fragen an die Eltern eigentlich so schwer?
Die Fragen bedeuten das Lösen vom inneren Kind, mit dem sich auch Erwachsene noch auf ihre Eltern verlassen. Der Erwachsene muss nun Verantwortung übernehmen und Antworten mit seinen Eltern verhandeln. Außerdem erinnern die Fragen jeden an die eigene Vergänglichkeit. Doch sie zu stellen, ist besser als ein späteres Krisenmanagement. Übrigens öffnen sich ältere Menschen oft dem Argument: "Wenn wir jetzt nicht darüber sprechen, musst Du einmal das hinnehmen, was ich dann entscheide."