A. Bemessung der Regelbedarfe
Der Deutsche Caritasverband hält es für sinnvoll, das soziokulturelle Existenzminimum in Relation zum Lebensstandard der Bevölkerung zu definieren. Um in einem solchen Kontext den Regelbedarf in der Grundsicherung zu bestimmen, ist nach Ansicht des Deutschen Caritasverbandes ein Statistikmodell am besten geeignet. Trotz des grundsätzlichen Einverständnisses mit der Methode hat der Deutsche Caritasverband grundlegende Bedenken gegenüber folgenden Punkten in der derzeitigen Berechnung der Regelbedarfe:
Die Referenzgruppe ist die Gruppe, deren Ausgaben die Höhe des Regelbedarfs bestimmen. Bei der Wahl der Referenzgruppe sieht der Deutsche Caritasverband folgenden Nachbesserungsbedarf:
1. Größe der Referenzgruppe für die Regelbedarfsstufe 1 (alleinstehende Erwachsene)
Der Deutsche Caritasverband fordert die Beibehaltung der alten Referenzgruppe: die unteren 20 Prozent der nach ihrem Einkommen geschichteten Ein-Personen-Haushalte (ohne Empfänger/-innen von Leistungen des SGB II und SGB XII).
2. Herausnahme der verdeckt armen Menschen und Ausschluss von weiteren Haushalten aus der Referenzgruppe
Der Deutsche Caritasverband fordert, die verdeckt armen Menschen (also Menschen, die ihren Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung wie Arbeitslosengeld II und Sozialgeld (SGB II), Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und Hilfe zum Lebensunterhalt (SGB XII) nicht wahrnehmen und somit mit einem Einkommen unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums leben) aus der Referenzgruppe herauszunehmen. Er fordert darüber hinaus, dass auch Personen, die über ein Erwerbseinkommen von bis zu 100 Euro verfügen und ihren weiteren Lebensunterhalt durch den Regelbedarf decken, aus der Referenzgruppe herausgenommen werden. Schließlich sind auch die Haushalte, die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) beziehen, aus der Referenzgruppe auszuschließen. Denn sie haben aufgrund ihrer Lebenssituation und vielfältiger Vergünstigungen spezifische Bedarfe und Ausgaben, die in der Regelbedarfsbemessung nicht als repräsentativ gelten können.
Der Regelbedarf ist eine Pauschale, die einen Spielraum bieten muss, an anderen Ausgaben zu sparen, wenn in einem Monat für z. B. für eine Reparatur eines Kühlschranks mehr Geld ausgegeben werden muss. Dafür bietet der aktuelle Regelbedarf zu wenig finanziellen Spielraum. Der Deutsche Caritasverband fordert daher die Einführung einer Flexibilitätsreserve durch Aufnahme weiterer Bedarfskategorien in die Regelbedarfsbemessung. Dies sollte in einer Größenordnung von etwa fünf Prozent des Regelbedarfs der jeweiligen Regelbedarfsstufe geschehen.
Der Regelbedarf wird jährlich an die Preissteigerung (Gewichtung 70 %) und die Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter (Gewichtung 30 %) angepasst. Dies geschieht allerdings um ein halbes Jahr verzögert. Der DCV fordert, diese zeitliche Verzögerung aufzufangen. Dies kann bei den heutigen Preissteigerungsraten durch eine einmalige Anpassung des Regelbedarfs um ein Prozent geschehen. Zudem fordert die Caritas mehr Transparenz bei der Fortschreibung der Regelbedarfe. Die Bundesregierung veröffentlicht lediglich die Veränderungsrate des regelbedarfsspezifischen Verbraucherpreisindexes. Die Veränderungsraten für die einzelnen Abteilungen der EVS werden jedoch nicht veröffentlicht bzw. herausgegeben. Damit ist nicht erkennbar, wie viel für einzelne Abteilungen aktuell im Regelbedarf enthalten ist.
Der Deutsche Caritasverband fordert eine größere Fallzahl an Haushalten in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, die die Referenzgruppe zur Bemessung des Regelbedarfs bilden. Sollte eine größere Vergleichsgruppe nicht (mehr) gebildet werden können, fordert der Deutsche Caritasverband eine Kontrollrechnung, anhand derer die im Regelbedarf vorgesehenen Mittel für Güter auf Angemessenheit überprüft werden können, für die im Statistikmodell keine geeigneten Daten erhoben werden konnten.
Der Anteil für Strom im Regelbedarf ist nach Ansicht des Deutschen Caritasverbandes zu niedrig bemessen. Er muss auf Grundlage des tatsächlichen Stromverbrauchs von Grundsicherungsempfängern ermittelt werden. Auch der Schlüssel für die Verteilung der Strombedarfe auf die Haushaltsmitglieder ist überholt (Hier finden Sie die Position des DCV zur Bekämpfung von Energiearmut). Legt man der Berechnung des Stromanteils im Regelbedarf den tatsächlichen durchschnittlichen Verbrauch der Referenzgruppe zugrunde, muss der Regelbedarf in der Stufe 1 deutlich erhöht werden.
Die Regelbedarfsstufen 2 und 3 werden derzeit nicht empirisch ermittelt, sondern aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen vom Gesetzgeber festgelegt. Eine statistische Ermittlung ist nach Ansicht der Caritas vorzugswürdig und nach aktuellem Forschungsstand auch möglich. Jedenfalls sollten die Verfahren zu Verteilungsschlüsseln dazu genutzt werden, die Regelbedarfsstufen 2 und 3 regelmäßig anhand einer Kontrollrechnung zu überprüfen.
1. Verteilungsschlüssel
Die Ausgaben von Familienhaushalten werden mittels Verteilungsschlüsseln den einzelnen Haushaltsmitgliedern zugeordnet. Die Verteilungsschlüssel für die Regelbedarfsstufen 4 bis 6 für Kinder und Jugendliche wurden aktuell überprüft und es wurde festgestellt, dass sie "nicht in allen Details nachvollziehbar bestimmt" sind. Es sollte ein Verfahren gewählt werden, das dem aktuellen Stand der Forschung entspricht.
2. Bildungs- und Teilhabepaket und Mobilität
Auch die Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets für Kinder und Jugendliche sind Teil des soziokulturellen Existenzminimums. Die Caritas hat dazu Verbesserungsvorschläge erarbeitet, die sowohl die Regelungen in § 28 SGB II als auch die Verwaltungspraxis betreffen. Hier finden Sie die Stellungnahme zu den Reformbedarfen im Bildungs- und Teilhabepaket
Grundlage für die Inanspruchnahme dieser Teilhabeangebote ist, dass diese für die jungen Menschen auch erreichbar sind. Der in den Kinderregelbedarfen vorgesehene Betrag für Mobilität reicht aber häufig nicht aus, um z. B. eine Monatsfahrkarte zu finanzieren. Diese zusätzlich notwendigen Kosten müssen übernommen werden.
B. Schätzung des Regelbedarfs
Der Deutsche Caritasverband hat die Höhe der Regelbedarfsstufe 1 geschätzt, die sich ergeben würde, wenn die Referenzgruppe für den Regelbedarf geändert, eine Flexibilitätsreserve eingeführt, die zeitliche Verzögerung der Anpassung des Regelbedarfs aufgefangen und ein sachgerechter Anteil für Strom zugrunde gelegt würde. Es ergibt sich ein Regelbedarf für den alleinstehenden bzw. alleinerziehenden Erwachsenen von 445 Euro (Regelbedarfsstufe 1). Das bedeutet eine Erhöhung um 63 Euro gegenüber der Regelbedarfsstufe 1 (September 2013).
C. Folgen einer Erhöhung des Regelbedarfs
Der Regelbedarf muss so ausgestaltet sein, dass er das soziokulturelle Existenzminimum sichert. Dazu gehört auch ein Mindestmaß an Teilhabe. Der Deutsche Caritasverband hält aus den oben genannten Gründen den derzeitigen Regelbedarf für zu niedrig bemessen. Ein erhöhter Regelbedarf führt zu höheren fiskalischen Kosten – auch weil mehr Menschen anspruchsberechtigt werden. Der Deutsche Caritasverband weist darauf hin, dass ein Anstieg der Bezieher von Grundsicherungsleistungen infolge der Ausweitung dieser Leistungen nicht dahingehend interpretiert werden darf, dass die Armut gewachsen ist. Wenn also nach der Erhöhung mehr Menschen Grundsicherungsleistungen erhalten, dann wird bei diesen Menschen Armut gelindert bzw. ihre Einkommenssituation verbessert (Bezieher von ergänzendem ALG II). Neben der Forderung nach der Teilhabesicherung von Beziehern der Grundsicherungsleistungen regt der Deutsche Caritasverband an, weiter nach Mitteln und Wegen zu suchen, die die Aufnahme von Beschäftigung erleichtern. So muss die aktive Arbeitsmarktpolitik auch für langzeitarbeitslose Menschen finanziert und aufrechterhalten werden. Es muss aber auch nach Modellen gesucht werden, die die Passung zwischen Grundsicherungssystem und Arbeitsmarkt – insbesondere dem Niedriglohnbereich – verbessern.