Von Hausschweinen und Wildschweinen und der Zukunft der Renten
Warnende Stimmen gab es in der Session "Digitalisierung und veränderte Erwerbsbiografien: Alterssicherungssysteme im Wandel" auf dem Caritaskongress in Berlin. Hybride sind nach alten Texten vermutlich eine Bezeichnung für einen Mischling aus Wildschwein und Hausschwein. Erst später wurde der Begriff auf andere Mischlinge und Mischwesen ausgedehnt.
"Wir leben in hybriden Zeiten", sagt Eva Welskop-Deffaa, Vorstand Sozial- und Fachpolitik beim Deutschen Caritasverband, und schaut auf den Arbeitsmarkt. Wenn also – um im Bild zu bleiben – die abhängig Beschäftigten wie die "Hausschweine" sind und die Selbständigen wie die "Wildschweine", dann sehen wir heute immer häufiger hybride Formen von Erwerbstätigkeit.
Die Folgen für die Rentenversicherung sind immens
Mehr und mehr Menschen arbeiten mal eine Zeit lang selbständig, dann wieder abhängig beschäftigt. Sie erfahren Zeiten der Nichtbeschäftigung, machen Teilzeit-Jobs, unbezahlte Arbeit, Elternzeit, Weiterbildung – kurz: es gibt alle möglichen Mischformen.
Die Digitalisierung ist einer der großen Treiber in diesem Prozess, Crowdworking und "Plattformisierung" sind die Stichworte. Die Folgen für die Rentenversicherung sind immens. Denn das herkömmliche deutsche Solidarsystem basiert auf einer ununterbrochenen, möglichst langen Beitragszahlung der abhängig Beschäftigten.
"Schon heute brauchen 2,7 Millionen Menschen einen zusätzlichen Minijob, weil das Haupteinkommen nicht ausreicht", sagt Jutta Schmitz von der Universität Duisburg-Essen. Das Problem: Minijobs sind nicht rentenwirksam, es droht Altersarmut. Und die Digitalisierung? Crowdarbeit auf Plattformen ist eine rechtliche Grauzone, sie ist oft informell, mal Haupt-, mal Nebentätigkeit, oft international, flexibel und kurzfristig. Meist ist nicht klar zu erkennen, ob Abgaben für Rente, Krankheit und Arbeitslosigkeit zu leisten wären.
Die Caritas muss als Solidarstiferin für Selbständige eintreten
Um die Rentenversicherung leistungsfähig zu erhalten, müssten alle Einkommen sozialversicherungspflichtig werden, sagt Caritas-Vorstand Welskop-Deffaa. Aber wie lässt sich das durchsetzen? Auch Selbständige in der Digitalwirtschaft bräuchten eine gewerkschaftliche Interessenvertretung, ist sie überzeugt und zieht einen historischen Vergleich: Wir erleben heute eine Unsicherheit im gleichen Ausmaß wie bei der Industrialisierung und dem Aufkommen eines Proletariats im 19. Jahrhundert.
"Wenn Menschen im Alter armutsgefährdet sind, wenn sie schon während ihres Erwerbslebens Angst vor Altersarmut haben müssen, ist der gesellschaftliche Zusammenhalt massiv gefährdet", so die Caritas-Vorständin. "Wir als Caritas sehen uns in der Verantwortung, die gesellschaftliche Solidarität zu stärken!" Die wenigen Trüffelschweine in der Digitalwirtschaft brauchen keine Solidarstifter, alle anderen schon.
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