Liegt jedoch die Genehmigung vor, fallen sie aus diesem Beratungsnetz heraus. Dann ist die Migrationsberatung für sie zuständig. "Das ist für sie nicht anders als für die anderen Menschen mit Migrationshintergrund, die wir schon seit vielen Jahren begleiten", sagt Jadranka Tomsic, die schon seit nun fast 40 Jahren diese Beratung beim Caritasverband für die Diözese Augsburg e. V. leistet.
Die 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas in der Migrationsberatung sind über die gesamte
Das Team der Migrationsberatung des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg e. V.Caritas Augsburg
Diözese verteilt. Sie können ein vielfach mehrstimmiges Lied von den unterschiedlichsten sozialen und familiären Problemen singen, die Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland haben können. Zur Migrationsberatung kommen tagtäglich Frauen und Männer und auch Familien aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen. Darunter anerkannte Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, Somalia; Irak oder Afghanistan. Afrikaner trifft man ebenso an wie Spanier, Italiener, Griechen oder andere EU-Bürgerinnen und Bürger oder Türken bzw. Aussiedler. Sie kommen zur Caritas, "weil sie massive soziale Probleme haben", sagt Aziz Aktas, einer der "ältesten" Caritas-Migrationsberater in Augsburg.
Die Migrationsberatung der Caritas blickt auf eine lange Geschichte zurück. 1965 wurde sie ins Leben gerufen. Als "Sozialberater" halfen die Caritas-Mitarbeiter den vielen Gastarbeitern aus Italien, Spanien, Jugoslawien und der Türkei. "Da ging es nicht nur um ein Aufenthalts- und Arbeitsproblem", erinnert sich Tomsic, "sondern auch um den Nachzug der Familie, Existenzsicherung, Hilfe bei der Wohnungssuche und Beratung bei Familienproblemen." Um 1980 begann der Zuzug vieler Aussiedlerdeutsche aus Rumänien, Polen und der damaligen UdSSR nach Deutschland. Auch sie brauchten Beratungsbeistand.
Damals nannte man die Migrationsberatung noch "Soziale Dienste". Integration und damit auch Spracherwerb waren politisch nicht unbedingt vorgesehen. Es wurde davon ausgegangen, dass die "Gastarbeiter" wieder in Ihre Heimatländer zurückkehren werden. Es gab nur begrenzte Angebote an Sprachkursen und auch nur in den Städten. Die Kosten hatte in jedem Fall der Zugewanderte selbst zu tragen. Und so war es die Regel, dass die Klienten muttersprachlich beraten werden mussten. Die Aufgaben in der Migrationsberatung waren damals schon vielfältig. Aufgrund des mangelnden Spracherwerbs benötigten viele der Klienten dauerhafte Unterstützung. Der Ansatz Hilfe zur Selbsthilfe war oftmals schwer umsetzbar.
Wer bei der Migrationsberatung mit arbeitet, sollte über interkulturelle Kompetenz verfügen und mindestens eine weitere Sprache sprechen. Die Migrationsberatung der Caritas in Augsburg repräsentiert gleichsam ein Vielsprachen-Kompetenzzentrum. Kroatisch, slowenisch, bosnisch, serbisch, mazedonisch, italienisch, spanisch, portugiesisch, englisch, französisch, russisch, rumänisch, türkisch, kurdisch, assyrisch, aramäisch und arabisch. "Häufig sprechen unsere Klienten anfangs wenig bis gar kein Deutsch", so Francesca Carapezza und Birgitta Leitner. "Da sind die vielen Sprachen sehr hilfreich."
Ziel ist es aber darauf hinzuwirken, dass die Deutsche Sprache erlernt wird. Nur so ist es möglich, dass die Klienten sich in die Gesellschaft integrieren können und auf längere Sicht von der Migrationsberatung unabhängig werden. Dazu gehört auch die Möglichkeit sog. Regeldienste wie beispielsweise die allgemeine Sozialberatung, die Offene Behindertenarbeit, die Schuldnerberatung oder die Schwangerschaftsberatung in Anspruch nehmen zu können.
"Es ehrt uns zwar, wenn es immer wieder unter den Migranten heißt ‚Geh‘ zur Caritas‘, wenn sie Probleme haben", so Birgitta Leitner. Das zeugt auch von Vertrauen. Die Klientinnen und Klienten sollen aber lernen, ihr Leben selbstverantwortlich zu gestalten. Das ist allerdings, folgt man allen Erzählungen des Beratungsteams der Caritas, oftmals leichter gesagt als in die Tat umgesetzt.
Es kommen Menschen mit den unterschiedlichsten Problemen in die Beratung. Was sie eint, ob Spanier, Italiener, Griechen, Rumänen, Syrer oder Afghanen, letztlich egal welchen nationalen Hintergrund sie haben, sie alle haben ihr Heimatland vor allem deshalb verlassen, weil sie zuhause keine sichere Lebensperspektive und damit keine Zukunft hatten. In Deutschland suchen sie diese Chance.
Auch die dramatische Wohnungssituation in Augsburg und Schwaben ist vielfach der Grund, weshalb Migranten zur Beratung kommen. Weil man wenig Geld hat, kann man nur kleine Wohnungen mieten, oft nur welche in einem schlechten Zustand. Schimmelbildung ist dabei eines der Hauptprobleme. "Die akute Wohnungsnot wird von manchen Vermietern schamlos ausgenutzt." Es kommt z.B. zu Wohnverhältnissen in denen mehrköpfige Familien für lange Zeit auf engstem Raum oftmals in einem 1-Zimmer-Appartment leben müssen. Manche Wohngemeinschafts-Vermieter verlangen Wucher-Mieten nicht pro Zimmer sondern pro Bett in einem Mehrbettzimmer.
Es gibt nicht nur zu wenige Wohnungen, Vermieter halten sich zurück, wenn sie hören, dass jemand mit Migrationshintergrund sich um die Wohnung bemüht. "Da bestehen einfache Auswahlkriterien. Bezieht man Geld vom Jobcenter, lautet die Antwort nein. Ist man alleinerziehend und farbig, dann heißt es gleich zweimal nein", sagt Birgitta Leitner.
Ein anderes Problem, das die Existenz bedrohen kann, sind die langen Bearbeitungszeiten bei Ämtern und Behörden. Dabei stoßen die Migrationsberaterinnen und -berater insbesondere bei Familien mit Kindern an "einfach nicht nachvollziehbare Grenzen", wie es Leitner ausdrückt. Manchmal dauere es zwei Jahre, bis die Familienkasse das Kindergeld bewilligt. "Das ist für Reiche kein Problem, aber für Menschen, die nichts haben, ist das nur schlimm."
Besonders dramatisch wirken sich die langen Bearbeitungszeiten von 8 Wochen und länger bei der Gewährung des Arbeitslosengeldes (ALG) II aus. Hier geraten die Klienten oftmals unverschuldet in einen Teufelskreis. Bleibt die lebensunterhaltssichernde Leistung für längere Zeit aus, kann beispielsweise die Miete nicht bezahlt werden. Es droht die Kündigung.
Die Rahmenbedingungen in Deutschland sind letztlich für alle Deutsche wie Migranten gleich. Die Startbedingungen sind aber unterschiedlich. "Wer nicht die Chance zu einem guten Start bei uns hat, der tut sich einfach schwer. Und dann kommen sie zu uns", sagt Aktas.
Als Migrationsberater muss man ein "Allrounder" sein. Er muss Behindertenrecht, das Sozial- wie auch das Familienrecht, das Arbeitsrecht und die Hartz-IV-Bestimmungen kennen. "Wir müssen zum Beispiel auch etwas davon wissen, wie sich Autismus, Sucht oder Depression zeigt, damit die richtige Hilfe vermittelt werden kann", so Leitner. Die vielen Themen machen die Tätigkeit - und darin sind sich alle Migrationsberaterinnen und -berater des Diözesan-Caritasverbandes einig - "unheimlich spannend". "Es geht aber oft auch an die eigene Substanz".