Berlin 18.11.2025.Der Deutsche Caritasverband ruft dazu auf, bei der Berichterstattung über den Tod von Alice und Ellen Kessler keine falschen Signale zu senden. "Wir sind sehr besorgt, dass die ausführliche Berichterstattung und Romantisierung des assistierten Suizids des Schwesternpaars einen gesellschaftlichen Druck verstärkt, den wir schon seit einigen Jahren beobachten: Insbesondere alte Frauen sehen sich in der Verantwortung, niemandem zur Last zu fallen und nehmen die Angebote für assistierten Suizid als notwendig zu prüfende Handlungsoption wahr," warnt Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa.
In der aktuellen Berichterstattung über den Tod der Geschwister wird häufig die genaue Todesursache und die Art der Suizidassistenz beschrieben, Schritt für Schritt. Dabei wird an einigen Stellen sogar Werbung für die Organisation gemacht, die die Schwestern unterstützt hat. Der Freitod der prominenten Zwillinge wird dabei teilweise idealisiert. Der Wunsch, "vereint" zu sterben, weil sie nicht "ins Heim" wollten etc., erscheint fast durchgängig als souveräne Entscheidung. Inwieweit er als Ausdruck von Ausweglosigkeit und Verzweiflung zu werten ist, gegen die das soziale Umfeld hätte etwas tun können, wird kaum gefragt.
"Statt Werbung für das vermeintlich einfache Lebensende braucht es eine Verbesserung der Suizidprävention sowie einen Ausbau von Hospizplätzen. Wir fordern mit Nachdruck die gesetzliche Verankerung von Maßnahmen der Suizidprävention, wie z.B. ein Werbeverbot für Organisationen, die beim Suizid unterstützen, mit anderen gesetzlichen Regulierungen der Suizidassistenz", so Welskop-Deffaa.
"Es ist unbestritten: Jedes Mal, wenn bekannte Personen sich das Leben nehmen und darüber breit in der Presse berichtet wird, gibt es einen messbaren Anstieg von Suiziden. Wenn dazu ergreifende Geschichten über die Motive erzählt werden, spricht das insbesondere Menschen ähnlichen Alters oder mit ähnlichen Gedanken an, weil sie sich damit identifizieren können. Dies führt nachgewiesenermaßen zu "Werther-Effekt" genannten Nachahmungssuiziden."
Der Deutsche Caritasverband nimmt die problematische Berichterstattung zum Anlass, nachdrücklich auf die Empfehlung des Nationalen Suizidpräventionsprogramms zur Berichterstattung in Medien hinzuweisen, die klar beschreibt, wie über Suizide berichtet werden sollte (vgl. https://naspro.de/dl/NaSPro_Empfehlung_Berichterstattung.pdf). Wichtig ist, Todeswünsche ernst zu nehmen, Gesprächsangebote zu schaffen und gleichzeitig Nachahmungsideen so früh wie möglich abzuwehren.
Der Deutsche Caritasverband plädiert seit langem für eine Verbesserung der Suizidprävention und fordert dringend die gesetzliche Verankerung von Maßnahmen der Suizidprävention. Neben umfassenden Beratungsangeboten zählt dazu auch die Methodenrestriktion, die eine spontane Umsetzung von Sterbewünschen schwer macht – wie der Bau von Mauern und Zäunen an Hotspots entlang von Brücken und Zugtrassen.