Gutes tun – für sich und andere
Text - Veronika Klum
"Alles zusammen drei Euro." Die schwangere Kundin und ihr Sohn sind erstaunt - so wenig? Walburga Gabb hat eben die vielen kleinen Hemdchen und Strampler einzeln aus dem Einkaufskorb geholt und zusammengerechnet. "Hast gut eingekauft", lobt sie den Jungen, "Alles für’s Baby?"
Seit der Anziehpunkt - das soziale Kaufhaus des Caritasverbandes für den Bezirk Limburg - nach dem Corona-Lockdown wieder regelmäßig geöffnet hat, ist der Kundenandrang groß. Walburga Gabb arbeitet hier seit mehr als vier Jahren ehrenamtlich mit, sie steht vor allem hinter der Kasse. In der Hochphase von Corona, aber auch in den Phasen, in denen mal kurz geöffnet und dann wieder geschlossen war, ist sie als Risikopatientin zu Hause geblieben. Im Juni kam sie dann aber gerne zurück. "Ganz ehrlich: Mir hat zu Hause etwas gefehlt. Jeder Mittwoch ist bei mir für den Caritas-Anziehpunkt fixiert." Walburga Gabb fühlt sich wohl und macht die Arbeit sehr gerne. Auch, weil sie sich mit ihren Kolleginnen gut versteht. "Ich möchte mich im Ehrenamt nicht ärgern, es muss einfach das Miteinander stimmen."
Jutta Altmann hat heute ihren ersten Tag. Sie ist zum Probearbeiten gekommen. In der Zeitung hatte sie vor zwei Monaten gelesen, dass der Caritasverband ehrenamtlich Mitarbeitende sucht. "Ich wollte was Sinnvolles tun und habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, mich ehrenamtlich zu engagieren", erzählt sie. Den Anziehpunkt kannte sie schon, sie hat selbst schon hin und wieder Kleiderspenden vorbeigebracht. "Ich habe schon immer gerne mit Menschen zu tun gehabt und freue mich, in Kontakt mit anderen zu kommen und etwas für Leute tun zu könne, die nicht so viel Geld haben." Zunächst hat Jutta Altmann zwei Info- und Vorbereitungstreffen besucht, die sie sehr interessant fand. "Das war eine gute Grundlage. Ich habe einen Einblick in die gesamte Arbeit der Caritas bekommen."
Frank Mach Abteilungsleiter Soziale Dienste beim Caritasverband: "Wir haben ein Schulungskonzept entwickelt, damit jemand, der ein Ehrenamt übernimmt, nicht ins kalte Wasser springen muss. Wir zeigen den Teilnehmenden, auf was sie sich einlassen, machen deutlich, dass sie nicht die Welt retten sollen und müssen, aber dass sie einen guten Beitrag leisten können." Die Infotreffen informieren über die Tätigkeitsbereiche im Anziehpunkt, Fahrtkosten, Versicherung und Einsatzzeiten. Zwei weitere Themen lauten: "Warum engagiere ich mich? Was sind meine Schwerpunkte?" und "Nicht die Kleider - der Mensch steht im Mittelpunkt". Jutta Altmann hat dabei erfahren, dass sie Kunden in schwierigen Lebenssituationen an die Caritas-Fachdienste vermitteln kann, die in den Stockwerken über dem Anziehpunkt angesiedelt sind.
"Ich habe meinen Bescheid vom Jobcenter nicht dabei, kann ich trotzdem hier einkaufen?", fragt eine Frau ganz schüchtern an der Kasse des Anziehpunktes. "Ja natürlich", antwortet Walburga Gabb. Die Anziehpunkte stehen allen Menschen offen, wer Transferleistungen bezieht, kann aber noch ein Rabattkärtchen beantragen, mit dem man 50% Rabatt erhält. Für Menschen mit finanziellen Problemen ist das ein wichtiges Angebot, ebenso wie die Caritas-Sozialbüros. Hier helfen ehrenamtliche Sozialberater unter anderem beim Ausfüllen von Anträgen und Formularen oder im Kontakt mit Ämtern und Behörden. 2003 eröffnete der Caritasverband für den Bezirk Limburg die ersten Sozialbüros, mittlerweile gibt es sie an sechs Orten im Landkreis Limburg-Weilburg - eine Erfolgsgeschichte. Und gerade für Menschen in der ländlichen Region, wo oft eine gute Anbindung durch Bus oder Bahn fehlt, eine wohnortnahe und niedrigschwellige Einrichtung. "Das Angebot wird gut angenommen, seit wir wieder geöffnet haben. Es ist erstaunlich, mit welchen Sachen die Menschen zu uns kommen", staunt Beraterin Marianne Möhn.
Wer sich ehrenamtlich engagiert, hat nicht einfach ein "Helfersyndrom". Die Gründe, sich zu engagieren, sind vielfältig: Etwas Sinnvolles machen, aber auch Kontakte zu Gleichgesinnten finden, neue Leute kennen lernen und Teil einer Gemeinschaft sein - eben Gutes für sich und andere tun. Corona hat hier vieles ausgebremst. Manche Ehrenamtliche haben sich aus gesundheitlichen Gründen ganz zurückgezogen, andere steigen vorsichtig wieder ein. Zwei Caritas-Sozialbüros pausieren immer noch. "Wir haben alle Ehrenamtlichen angefragt, wer sich vorstellen kann auch unter Covid weiterhin Sozialberatung zu machen und sind mit denen gestartet, die sich das vorstellen konnten", so Julika Hahn, Sachbereichsleitung "Beratung, Begegnung, Hilfen". Um ihnen den Wiedereinstieg zu erleichtern, konnten alle Ehrenamtlichen im Juni und Juli an den Impfterminen durch den Betriebsarzt der Caritas teilnehmen.
Nächstes Ziel ist nun, das Gemeinschaftsgefühl des Teams zu stärken. "Es haben sich super viele zurückgemeldet, die wirklich Lust hatten, wieder in die Beratung einzusteigen," berichtet Julika Hahn. "Das ist eine mega-motivierte Truppe, die auch untereinander guten Kontakt hat. Es macht Spaß, mit ihnen zusammen zu arbeiten," freut sie sich. Regelmäßige Austauschtreffen mit dem gesamten Team, zu dem derzeit 19 Personen zählen, konnten aufgrund von Corona nicht mehr stattfinden. Stattdessen gibt es Termine in kleinerer Runde. Auch eine digitale Schulung für die Ehrenamtlichen fand bereits statt, weitere sind geplant. "Ich hoffe, dass wir uns im kommenden Frühjahr wieder mit allen treffen können." Im Vordergrund steht im Moment die Stabilisierung des bestehenden Teams. Auch die Ehrenamtlichen freuen sich über eine Rückkehr in die Normalität. Marianne Möhn ist der persönliche Austausch untereinander sehr wichtig: "Wir verstehen uns alle sehr gut und was der eine nicht weiß, weiß der andere."
Kommendes Jahr sollen auch wieder neue Sozialberater qualifiziert werden, so der Plan für die Zukunft, um die Erfolgsgeschichte Sozialbüros weiterzuschreiben. Denn sie bieten im Beratungsalltag eine große Entlastung der hauptamtlichen Beratungsdienste - und für hilfesuchende Menschen eine gute Begleitung.
Bildunterschriften (Fotos: Veronika Klum):
Gabb-Altmann_final.jpg: Bewährte Kraft und Neuling: Walburga Gabb (li.) und Jutta Altmann im Anziehpunkt Limburg.
Sozialbuero.jpg: Ein tolles Team: Christine Schuld, Heinz Becker und Marianne Möhn (v. li. n. re.) kennen sich seit vielen Jahren. Schuld und Möhn beraten Hilfesuchende im Sozialbüro in Limburg, Heinz Becker ist mittlerweile ehrenamtlich im Vorstand des Verbandes.
Schulung.jpg: Warum engagiere ich mich? Die Motive sind unterschiedlich, aber eines vereint doch alle Antworten, die beim Vorbereitungstreffen eingesammelt wurden: Für sich und andere Gutes tun.
Autorin Veronika Klum
Kontakt: Caritasverband für den Bezirk Limburg e.V., Tel. 06431/2005-0, info@caritas-limburg.de