Nein sagen und dabei bleiben
Die Schule schwänzen und im Park abhängen - damit ging es bei Jan los. Es folgten schlechte Noten und Stress mit der Mutter. Dann fing der damals 15-Jährige mit seinen Kumpels an, Mitschüler zu verprügeln. Der vermeintliche Spaß endete für die Gruppe mit Anzeigen wegen Körperverletzung am Landgericht Frankfurt (Oder). Der Jugendrichter wollte Jan zu einem Jahr Arrest verurteilen, gab ihm aber noch eine Chance: Er müsse das Anti-Gewalt-Training bei der Caritas beenden. "Wenn ich eine Stunde verpasst hätte", erinnert sich Jan, "wäre ich für ein Jahr hinter Gitter gekommen".
Verantwortung fürs eigene Leben übernehmen
Für straffällige Jugendliche wie Jan hat Uwe Vollmar ein gutes Händchen. Bei ihm landen jene, die einen Weg aus der Gewalt suchen. Fast jeder Teilnehmer seines Anti-Gewalt-Trainings ist wegen Körperverletzung im Zusammenhang mit Drogen- oder Alkoholkonsum verurteilt. Darum ist das Ziel der Straffälligenhilfe in Frankfurt, die Jugendlichen zur Kontrolle ihrer Aggressionen zu bringen. Und das, bevor sie später zu "richtigen" Kriminellen werden.
"Mit Schuldzuweisungen kommen wir bei diesen Jugendlichen nicht weiter", erklärt Vollmar. Viele Teilnehmer berichten, dass ihnen von Jugendhilfe, Elternhaus und Gericht ständig gesagt worden sei, was sie nicht tun sollen. "Wir versuchen ihnen beizubringen, wie sie kontrolliert auf eine Provokation reagieren können, ohne dabei gleich loszuschlagen", so der 48-Jährige. Sie sollen lernen, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Um die Jugendlichen zu erreichen, arbeitet er in kleinen Gruppen mit maximal sechs Personen. Einzel- und Gruppengespräche wechseln sich ab. Anhand von Rollenspielen begeben sich die Teilnehmer in Stresssituationen wie etwa ein umgefallenes Bier in der Disko. Danach reflektieren sie gemeinsam, welche Gefühle und Interessen sie in der Situation hatten und wie sie eine Eskalation vermeiden können.
In schwierigen Situationen cool bleiben
Neben den verschiedenen Übungen stehen an drei Samstagen gemeinsame Ausflüge auf dem Programm. Es geht etwa zum Klettergarten oder zu einem Entspannungskurs nach Berlin. Für Jan war dieser Kurs der beste Teil des halbjährigen Trainings. Er lernte, wie er zur Ruhe kommt und "runterfährt". Das konnte er danach sogar öfters anwenden, sagt der Jugendliche: "Auf einem Fest wäre ich fast in eine Schlägerei geraten, dann dachte ich mir aber: ‚Ach, scheiß drauf‘ und bin weitergegangen." Genau das sei der Sinn der Übungen, erklärt Vollmar: "Sie sollen den Boden dafür bereiten, dass die Jugendlichen in ihrem Alltag anders reagieren." Die meisten Straftaten entstünden nämlich dann, wenn die Jugendlichen unter Stress gerieten. "Dann denken sie sich: Dem haue ich eine auf die Mütze, dann hab ich meinen Stress abgebaut", so der Sozialpädagoge.
Für Jan kam das Anti-Gewalt-Training gerade noch zum rechten Zeitpunkt. Er hat den Hauptschulabschluss gemacht und vor kurzem eine Lehre als Gartenlandschaftsbauer begonnen. Und von seinem vorigen Freundeskreis hat er sich auch getrennt: "Es war am Anfang schwer, die Leute hinter sich zu lassen, aber es geht jetzt auch ohne sie."