Deutschland in der Pflicht: Aussöhnung mit Polen
Wie kann man nach Massenmorden und Kriegsverbrechen der Deutschen und ihrer Vertreibung nach Kriegsende wieder in ein nur irgendwie menschliches Verhältnis kommen? Denn Deutschland hatte mit dem verbrecherischen Überfall auf Polen 1939 den Zweiten Weltkrieg angefangen.
Nach dem Krieg dringend benötigt: deutsche Wiedergutmachung
Wehrmacht und SS hatten nicht nur polnische Städte und Landschaften verheert und geplündert, sie hatten auch gezielt große Teile der polnischen Intelligenz getötet. Insgesamt starben durch den deutschen Angriffskrieg fast sechs Millionen polnischer Bürger, die meisten Zivilisten, drei Millionen von ihnen waren jüdischer Abstammung. Lang vor jedem Gedanken an Versöhnung muss die Anerkennung eigener Schuld und der aufrichtige Versuch der Wiedergutmachung kommen:
1964 erlebte der Leiter der Pressestelle des Deutschen Caritasverbandes, Alfons Erb, auf einer Bußwallfahrt das noch zerstörte Polen und das zahllose individuelle Leid polnischer KZ-Opfer. Der engagierte Mann, Jahrgang 1907, war nicht nur international erfahrener Redakteur und Pressesprecher zweier Bischöfe während des Dritten Reichs, er war zugleich Vizepräsident der deutschen Sektion der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi.
1960er: Deutsche Aussöhnung mit Polen fehlte
Bis 1973 hatte er ein Hilfswerk aufgebaut, das Maximilian-Kolbe-Werk. Mit dem Satzungsziel, "zur Verständigung und Versöhnung zwischen dem polnischen und deutschen Volk, aber auch mit anderen Ländern Mittel- und Osteuropas, beizutragen", benannt nach einem polnischen Pfarrer, der im KZ-Ausschwitz für einen anderen Häftling in den Hungerbunker ging und dort umgebracht wurde. Das neugegründete Hilfswerk wird seitdem vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken und dreizehn katholischen Verbänden (darunter die Caritas) getragen.
Maximilian-Kolbe-Werk: Zeitzeugen berichten seit 50 Jahren
Das Hilfswerk lädt bis heute ehemalige KZ-Häftlinge und Hinterbliebene zu Erholungs- und Austauschreisen nach Deutschland ein, unterstützt von 80 Ehrenamtlichen. Und es half von Anfang an den oft auch materiell Bedürftigen durch Pakete und individuelle finanzielle Unterstützung. Dafür baute es einen Spenderstamm auf, der oft seit Jahrzehnten treu die Arbeit mitfinanziert. Wichtig ist die Kontaktpflege zu Journalisten und Medien, ohne deren Mitwirkung das unvergessene Leid nicht breitenwirksam vermittelt werden kann.
Vernetzung von Polen über den Balkan bis nach Russland
Die Hilfe wurde nun ausgedehnt auch auf KZ-Opfer aus den Baltenstaaten, der Ukraine, Belarus und Russland, insgesamt rund 15000 Menschen. Wichtig ist nach wie vor die menschliche Begegnung - und die Bildung: Schulen bundesweit laden die ehemaligen Häftlinge ein, um mit den Berichten selbst erlebter unheilvoller Geschichte jungen Deutschen Zeugnis zu geben.
Hilfe für Kriegsopfer: Medizin und Lebensmittel
Was Alfons Erb konkret organisierte, das trieb der damalige Caritas-Prasident Georg Hüssler (Mit Georg Hüssler wurde die Caritas international) auf diplomatischem und kirchlichem Weg voran. Die harmlos klingend benannte Diaspora-Hilfe des DCV versorgte kranke und behinderte Menschen hinter dem damals "eisernen Vorhang" diskret, aber wirksam mit lebenswichtigen Medikamenten, zu denen sie keinen anderen Zugang hatten. Und nach Gründung der Gewerkschaft Solidarnosz und dem Aufstand der Werftarbeiter in Danzig entsandte Hüssler eine nicht endende Kolonne von Hilfsgütertransporten. Zur Unterstützung der Not leidenden Kriegsopfer, aber auch der Streikenden in das vom Kriegsrecht schwer getroffene, damals noch kommunistisch regierte Polen.
Vor Willy Brandts Kniefall von Warschau
Ein kleiner Anteil am Ende des Ostblocks gebührt daher auch dem Deutschen Caritasverband, zeitlich liegt es noch vor Willy Brandts Kniefall vor dem Denkmal für die Opfer des Krieges in Warschau als einem offiziellen Zeichen von Schuldanerkenntnis und Sühnebereitschaft. Alfons Erb hat geholfen, den Weg zu bereiten.
Seit 1964: Versöhnung mit Polen
Im Mai 1964 fuhr die erste grössere Gruppe aus der Bundesrepublik nach Polen. Es war eine Gruppe von Pax-Christi, deren besonderes Ziel es war, im KZ Auschwitz zu beten und ein Zeichen der Versöhnung zu setzen. Mit Karol Wojtyla (später Johannes Paul II.) trafen sie in dem kleinen Ort Bielsko-Biala. Aus dieser Begegnung entstand die Pax-Christi-Solidaritätsspende für KZ-Opfer, und später das Maximilian-Kolbe-Werk.
Noch heute setzt sich das Maximilian-Kolbe-Werk für die Opfer des Nationalsozialismus ein und leistet durch beispielsweise Gedenkfahrten einen Beitrag zur politischen Bildung von jungen Menschen.