2. Gab es nicht irgendwann eine Lösung für höhere Löhne und sie ist an der Caritas gescheitert?
Ein Pflegearbeitgeberverband namens BVAP und die Gewerkschaft ver.di haben zum 1. Februar 2021 einen Tarifvertrag für Pflegekräfte in der Altenhilfe für einige zehntausend Beschäftigte abgeschlossen. Er sieht leicht höhere Löhne vor als der Pflegemindestlohn.
BVAP und ver.di wollten diesen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich, also für alle Pflegekräfte in der Branche, erklären lassen. Dafür war laut Gesetz die Zustimmung von Caritas und Diakonie notwendig. Bei ihnen arbeiten insgesamt etwa 300.000 Altenpflegerinnen und -pfleger, von 1,2 Millionen in Deutschland.
Bei der Caritas war die unabhängige Arbeitsrechtliche Kommission, das Tarifgremium des Verbandes, am Zug. Die 62-köpfige Bundeskommission der Arbeitsrechtlichen Kommission (31 Vertreter_innen der Arbeitgeber und 31 Vertreter_innen der Arbeitsnehmerseite der Caritas) hat den Antrag von BVAP und ver.di zur Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrags Pflege abgelehnt, weil die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit nicht erreicht wurde.
Bedenken gegen den Tarifvertrag
In der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas gab es große Bedenken gegen den Tarifvertrag. Dieser schreibt schlechtere Arbeitsbedingungen fest, als sie die Caritas mit ihrem Tarifwerk, den AVR, gewährleistet.
Teile der Arbeitsrechtlichen Kommission hatten die Befürchtung, dass sich die Kostenträger (im Wesentlichen die Pflegekassen und die Kommunen) künftig am Tarifvertrag Altenpflege orientieren und die Mehrkosten der Einrichtungen nicht mehr refinanzieren, die höhere Löhne zahlen. Außerdem vermisste diese eine betriebliche Altersvorsorge, passgenaue Arbeitszeitmodelle oder Überstundenzuschläge.
Ein weiterer Grund war, dass die Diskussion um den Tarifvertrag Altenpflege den anderen Teil de Rechnung, also die Kosten für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen, völlig ausgeblendet hat. Für viele in der Caritas mussten diese Fragen zusammen betrachtet werden.
Ohne die Zustimmung der Caritas konnten BVAP und ver.di die Allgemeinverbindlichkeit ihres Tarifvertrags beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales nicht beantragen. Ihr Tarifvertrag findet somit nur für Mitglieder des BVAP Anwendung.
Für die Beschäftigten der Pflegebranche ohne Tarifvertrag gilt weiterhin der Branchenmindestlohn als Lohnuntergrenze. Zusätzlich beschloss der Bundestag im Sommer 2021 die "Tariftreue-Regelung". Diese verpflichtet Anbieter von Pflege dazu, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Tarif oder zumindest so viel wie die Durchschnittslöhne in den jeweiligen Regionen zu zahlen. Ansonsten werden sie nicht mehr zur Pflege zugelassen. Diese Regelung wird ab 1. September 2022 angewendet und sie wird dafür sorgen, dass es keine Dumpinglöhne in der Pflege mehr gibt.