Ramazan möchte eine eigene Firma in Afghanistan gründen
Wolfgang: Die Familie von Ramazan hatte in ihrem Wohnort ein einfaches aber gutes Leben. Sie fühlten sich wohl. Aus ihrem Heimatort in Afghanistan sind sie wegen der Terroristen nach Kabul geflohen. Dort hatten sie aber ein schlechtes Leben, weil sie Hazara sind. Also versuchten sie, sich im Iran eine neue Existenz aufzubauen. Weil es ihnen im Iran wirtschaftlich sehr schlecht ging, brachen seine Eltern mit ihm und seinen Geschwistern nach Europa auf. Ramazan wurde mit einem älteren Bruder von seiner restlichen Familie getrennt. Beide schafften es bis in die Türkei. Jedoch verlor er seinen Bruder. Er konnte kurzzeitig bei Fremden unterkommen. Dort wurde auch die Idee geboren, nach Europa zu gehen. Es folgte der für Flüchtlinge meist übliche Exodus mit Schiffsbruch vor Griechenland, Überquerung der Grenzen auf dem Balkan bis nach München.
Ramazan: Als ich in Deutschland angekommen bin, war ich sehr aufgeregt. Ich hatte die Leute nicht verstanden. Das Essen war auch ganz anders. Ich wusste nicht, wohin ich gehen musste. Ich hatte kein Geld. Eigentlich wollte ich nach Schweden. Ich bin dann in Hamburg angekommen.
Wolfgang: Wer hat dir geholfen, deine Probleme zu überwinden?
Ramazan: Ein Afghane hatte mich in Hamburg mit nach Hause genommen. Am nächsten Morgen brachte er mich in die Flüchtlingsaufnahme. Ein Dolmetscher hatte für mich übersetzt. 2015 habe ich dann auch in der BEF (Anm. d. Red.: Betreute Einrichtung für Flüchtlinge) kennengelernt.
Wolfgang: Genau. Ich habe mich dort als Nachhilfelehrer eingebracht. 2016 wurde ich dann sein Privat-Vormund.
Ramazan: Wir waren zum Beispiel zusammen an der Nordsee, auf dem DOM, das ist ein Volksfest bei uns, auf dem (Verkehrs-)Übungsplatz und haben zusammen in Restaurants gegessen. Wolfgang hat mir auch beim Zahnarzt und anderen Arztbesuchen geholfen. Besonders gefällt mir, dass ich alles mit Wolfgang besprechen kann. Außerdem habe ich auch Freunde gefunden - beim Fußball.
Wolfgang: Ramazan geht gern in afghanische Restaurants. Auch deshalb, weil er bei fremder Küche immer noch sehr zurückhaltend ist. Wir treffen uns auch zu vielen Aktivitäten, wie Ramazan schon gesagt hat. Zurzeit treffen wir uns meistens drei oder vier Mal die Woche, um gemeinsam an einem großen Projekt zu arbeiten.
Ramazan: Richtig. Mein größtes Projekt ist, dass ich meinen Abschluss in der Schule mache. Meinen ESA (Anm. d. Red.: Erster Allgemeiner Schulabschluss). Dabei hilft mir Wolfgang sehr.
Wolfangang: Man muss wissen, dass Ramazan völlig unbeschult nach Hamburg kam. Damit ist Deutsch seine erste Schriftsprache. Nach dem Abschluss hat er schon weitere Pläne für seine Zukunft.
Ramazan: Mein Plan ist, dass ich meine Ausbildung fertig mache. Dann möchte ich meinen Meister machen und später eine eigene Firma in Afghanistan gründen. Ich hoffe auch, dann meiner Familie, besonders meinem jüngeren Bruder, dann helfen zu können.
Wolfgang: Hast du Tipps für andere Geflüchtete oder die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern?
Ramazan: Die Unterstützer müssen aufpassen, dass ihre Mündel regelmäßig in die Schule gehen. Denn sie haben nur einmal diese Chance.
Hinweis der Redaktion: Nach dem Gespräch teilte Ramazan Mitte Juni 2019 mit, dass er erfolgreich seinen ersten Schulabschluss mit einem Notendurchschnitt von 1,8 bestanden hat. Außerdem beginnt der junge Afghane im August 2019 eine Ausbilder zum Elektriker.
Autor: Wolfgang Zentner