Mohamed und Worknesh fühlen sich in Bayern zuhause
Ein erstes Lachen nach langer Zeit
Der katholische Frauenbund in Pfarrkirchen organisierte 2014 einen Helferkreis für geflüchtete Menschen. Ich gab mit vier anderen Pfarrkirchnern zusammen Deutschunterricht. Da ich einige Worte Amharisch, das ist die Sprache in Äthiopien, und die Schrift kannte, hatte ich bei unseren Anvertrauten gleich einen Stein im Brett. Denn die meisten der angekommenen Flüchtlinge kamen aus Eritrea, wo die Sprache ähnlich, die Schrift gleich ist. Vor 30 Jahren lebte ich selbst für vier Jahre in Äthiopien und arbeitete dort als Lehrerin an der Deutschen Schule. Mohammed und Worknesh kamen immer pünktlich zum Unterricht und versäumten keine Stunde. Wir luden unsere Schülerinnen und Schüler einmal zu uns zum Essen ein und wurden später von ihnen eingeladen. Worknesh kochte gerne für die zehn Eritreer und uns ein schmackhaftes äthiopisches Essen - auch Berge von Fladen, auf die Fleisch- und Gemüsespeisen gelegt wurden. Es bildete sich gleich ein familiäres Verhältnis. Die Menschen lachten wieder - auch Mohamed, der auf der Flucht vom Sudan nach Libyen einen Schlüsselbeinbruch erlitt. "Der vollbesetzte Van kippte bei seiner schnellen Fahrt durch die Wüste um", berichtet Mohammed. Der schlecht verheilte Bruch machte ihm immer noch zu schaffen.
Ein neues Heim
Im Mai 2015 kam das erste Kind von Mohammed und Worknesh, ein Mädchen, zur Welt. "Johanna hat uns viel geholfen", sagt Worknesh. Die Leiterin des Helferkreises konnte Mitte 2015 eine schöne Wohnung von der Stadt für die Familie besorgen. Wir alle halfen mit, Möbel aufzutreiben und sie mit Hilfe andrer Eritreer aufzubauen. Ab März 2015 organisierte der Landkreis für Flüchtlinge aus vier Ländern, darunter Eritrea, Integrations- und Sprachkurse. Worknesh konnte bald diese nicht mehr besuchen, weil sie sich um ihre neugeborene Tochter zuhause kümmerte. Aber Mohamed war sehr eifrig. "Im April 2017 habe ich meine B1-Prüfung bestanden. Das haben nur drei der 20 Teilnehmer geschafft", sagt Mohammed. Dabei hat er in Afrika nur vier Jahre eine Grundschule besucht. Das hat mich sehr beeindruckt.
Mohammed findet über Helferkreis einen Job
Ein dem Helferkreis nahe stehender Ingenieur verschaffte Mohamed im September 2017 eine Stelle in seiner Firma als Hilfsmechaniker. "Die Firma ist allerdings 28 Kilometer von Pfarrkirchen entfernt", erzählt Mohammed. "Daher war der Führerschein für mich beson-ders wichtig." Nach drei Anläufen bestand er die Fahrprüfung und kaufte ein kleines Auto. Seitdem fährt er montags bis freitags um sechs Uhr morgens zur Arbeit und kommt am frühen Abend wieder zurück. Er wird von seinem Arbeitgeber sehr gelobt wegen seiner Zuverlässigkeit und seinem Fleiß. "In meinen Zwischenzeugnis steht: Herr Jemal hat sich in unserem Unternehmen sehr gut integriert und überzeugt durch die jederzeit gute Qualität seiner Arbeitsergebnisse. Er ist ein sehr engagierter, pflichtbewusster und zuverlässiger Mitarbeiter", liest Mohammed vor. Er spricht nun auch ausgezeichnet deutsch, und kann viele amtliche Dinge selbst erledigen. Kinder hat er nun drei: Im September 2016 und im Oktober 2018 kamen zwei Söhne dazu. Die Kinder sind fröhlich. Die zwei älteren gehen in den Kindergarten und reden schon gut Deutsch. "So kann ich von meinen Kindern etwas Deutsch lernen", berichtet Worknesh. Alles sieht wunderbar aus.
Trotz Glück gibt es auch Probleme
Aber es gibt auch übel gesinnte Leute in Pfarrkirchen. Einmal wurden Sprüche wie "Asyl raus" an das Haus, in dem die Familie wohnt, gesprüht. Der Bürgermeister, besorgt um den Ruf seiner Stadt, lies die Sprühereien immer sofort entfernen. Ein andres Mal war der Schaden größer: Ein paar Leute schütteten rote Farbe auf die Wäsche, die Worknesh im Garten aufgehängt hatte. Ein weiteres Problem für die Flüchtlinge, die wir unterstützen, ist immer wieder die Bürokratie in unserem Land. Was sind wir zu Ämtern gelaufen, um etwas zu beantragen, etwas zu verlängern, etwas richtig zu stellen. Wir haben oft selbst Mühe, in den seitenlangen Briefen und hinter all den Paragraphen den Sinn zu erkennen.
Die größte Hürde für Mohamed und Worknesh aber ist der Fakt, dass sie keine Dokumente von zuhause mitgebracht haben – und auch keine auftreiben können. "Seitdem ich Arbeit habe, muss ich meine Frau privat krankenversichern. Das kostet 180 Euro im Monat. Das ist für uns sehr viel Geld", sagt Mohammed. Grund dafür ist, dass sie keine Heiratsurkunde vorlegen können. Heiraten können die beiden jedoch nicht in Deutschland, weil sie keine Geburtsurkunden haben. Auch die Kinder bekamen keine Geburtsurkunden, nur einen Eintrag ins Geburtenregister. Dabei sind sie im Krankenhaus in Eggenfelden geboren. Die Identität der Mutter ist damit bestätigt und Mohammed hat seine Vaterschaft anerkennen lassen. Das kann man nur schwer verstehen: eigentlich überhaupt nicht. Wir haben die Hoffnung jedoch noch nicht aufgegeben, dass sich in Zukunft politisch etwas ändert. Ich wünsche mir sehr, dass Mohamed und Worknesh gemeinsam mit ihren Kindern wie Deutsche hier leben können. Es ist eine so nette Familie. "Wir kennen uns mittlerweile gut aus in Pfarrkirchen und in Deutschland. Wir hoffen, dass unsere Kinder eine gute Schulbildung bekommen. Sie sollen ein besseres Leben haben, als Worknesh und ich in unserer Jugend", wünscht sich Mohammed.
Autorin: Johanna Beck