Beide sind Sozialpädagoginnen und arbeiten für die Glücksspielsuchtberatung der Caritas-Suchtfachambulanz für die Landkreise Donau-Ries und Dillingen. Der Anlass war der Aktionstag Glücksspielsucht. Schmidt und Göppel nutzen die Gelegenheit im Landratsamt dafür aufzuklären. „Es ist nur eine Mär, dass Glücksspielsucht nicht krank macht, frei nach dem Motto ‚Ich trinke nicht, ich spiele nur‘“, sagt Schmidt.
71.000 Menschen in Bayern haben ein Problem mit dem Glücksspiel. 34.000 davon sind glücksspielsüchtig. In 2016 nahmen die Anfragen bei Ihrer Beratungsstelle „massiv“ zu. Zwischen 20 bis 30 Personen, vorwiegend Männer, kommen im Monat zu ihnen in die Beratung. „Manche kommen nur einmal, manche häufiger und kommen dann nicht mehr wieder, andere erscheinen regelmäßig“, so Göppel. 80 bis 90 Prozent sind Selbstbetroffene, rund zehn Prozent sind Angehörige. Eine Gesamtzahl für die beiden Landkreise können sie nicht nennen.
Das wäre auch schwierig, denn was Glücksspiel genau sei und um was es dabei wirklich gehe, „das ist vielen nicht so genau bewusst“, erläutert Schmidt. So haben beide im Landratsamt fünf Stationen aufgebaut. Auf einer rund sechs Quadratmeter großen Bodenzeitung laden sie Interessenten ein, ihre
Meinung dazu kundzutun, was sie davon halten, wenn in ihrer Nähe eine Spielhalle geöffnet würde. Die Antworten reichen von „…ist doch cool“ bis hin zu dem nachdenklichen Satz „ich kenne da jemanden, der damit ein Problem hat“. Dann gab es die Hörstation, wo man sich anhören konnte, was sich in einem spielsüchtigen Mann abspielt und wie die Familie davon betroffen ist. Die Aussage: „Oh Gott, verflucht, ich habe alles verloren“, bleibt dem Zuhörer in den Ohren hängen.
„Eine Info-Tafel wies auf die verschiedenen Formen des Glücksspiels hin, die vom Online-Glücksspiel über das Roulette bis hin zu den Sportwetten und dem Poker reichen. „Gerade die Sportwetten und das Pokerspiel wird zu sehr verharmlost“, so die Beraterin Schmidt.
Eine andere Info-Tafel klärte über den Phasenverlauf von den ersten Anfängen bis zur Suchtabhängigkeit hin. Für Angehörige, aber auch Kollegen oder Vorgesetzte in Firmen und Betrieben war das vielleicht die wichtigste Tafel. Danach ist der Punkt der Glücksspielsucht dann erreicht, wenn der Betroffene die Kontrolle über sich verliert, ständig Geld leiht, seine Familie belügt und z. B. vortäuscht, er treffe sich mit einem Freund, während er in Wirklichkeit in die Spielhalle geht. Schulden sind das eine. Früher oder später erfährt die Ehefrau davon. Aber wenn der Partner zunehmend gereizt reagiert, sich mehr und mehr isoliert, nichts mehr am Wochenende mit der Familie unternehmen will, aggressiv auf ganz einfache Bitten reagiert und am Arbeitsplatz unkonzentriert ist, weil er ständig an das Spielen denkt, nicht mehr so leistungsfähig ist, weil er eben im Kopf ganz woanders ist.
Doch die Liste der Kennzeichen geht weiter. Suizidgefahr entsteht, weil sie nicht mehr wissen, woher sie ihr Geld auftreiben können. „Depressionen sind oft die Zweitdiagnose bei einem Glücksspielsüchtigen“, sagt Schmidt. Einbruch, Diebstahl, Scheckkartenbetrug und Urkundenfälschung werden verübt, um an Geld zu kommen. Ein Mann hatte mit einer Urkundenfälschung Zugriff auf den Bausparvertrag der Ehefrau Zugriff erhalten. Das lang angesparte Geld war weg.
Angehörige sind nicht nur durch einen zunehmend gereizten, immer mehr zur Lüge greifenden Partner betroffen. Verwirrungszustände, psychosomatische Beschwerden, Ohnmachtsgefühle treten zumeist zeitlich verzögert auf. Selbstzweifel treten auf („Was habe ich nur falsch gemacht?“) , und manche begehen den Fehler, die Schulden zu übernehmen, ohne das eigentliche Problem gelöst zu haben.
Ein Quizz zum Thema Glücksspielsucht lag an der nächsten Station. Wie wirkt sich eine Glücksspielsucht
auf den Menschen und dessen soziales Umfeld aus? Dazu werden einzelne Fragen gestellt. Am Ende hat Schmidt eine Frage gestellt, die mehr als nur eine Antwort „richtig“ oder „falsch“ verlangt. Sie will wissen, ob die Aussage stimmt oder nicht: „Menschen mit Spielsucht (Automaten, Internet, Casino, Lotto…) dürfen auch keine anderen Spiele (ohne Geld) mehr spielen, weil sonst die Gefahr besteht, dass sie rückfällig werden.“
Die richtige Antwort lautet hier: Diese Aussage ist falsch. „Denn es ist nicht der Spielautomat, die Pokerkarten oder der Computer, der süchtig macht“, erläutert Schmidt. „Es geht um das Geld. Das Geld gibt den Kick!“ Und so fängt eine Glücksspielsucht ganz unproblematisch an. „Viele erzählen mir, dass sie es „mal ganz einfach ausprobiert“ hätten. Dann erzielten sie Gewinne. Und irgendwann merken sie, dass wenn sie spielen sie Abstand vom Alltag erhalten und eine Stunde für sich haben“, fügt Göppel hinzu. Um das zu erzielen, höre man dann immer häufiger „Ich muss mal weg“, „Ich will mal meine Ruhe haben“ und zieht sich z.B. in sein Zimmer an den Computer zurück.
Die Entwicklung nimmt dann ihren Lauf. Sie hängen fest im „System Glücksspiel“, finden aber nicht mehr heraus. Weil sie Angst hätten vor ihren Partnern, ihr Fehlverhalten zu gestehen, versuchen sie krampfhaft, das verlorene Geld wieder zurückzugewinnen. „Doch das gelingt nie“, stellt Schmidt fest. Manche kommen noch unverschuldet, also rechtzeitig in die Beratung, andere häufen ihre Schulden zu riesigen Summen auf. Die höchste Schuldenrate, mit der Schmidt einmal in einer Beratung konfrontiert war, lag bei 200.000 Euro. Der Durchschnitt in Bayern liegt bei 24.000 Euro.
Göppels und Schmidts Rat lautet deshalb, sich rechtzeitig zu informieren, Beratung einzuholen. Mit anderen Spielen abzulenken, das gelingt nicht. Spiele seien positiv zu sehen, sie bringen Menschen zusammen. „Glücksspiel isoliert, macht krank und stürzt die Menschen ins Unglück.“