Caritas-Sozialstation wehrt sich gegen den schlechten Ruf des Pflegeberufes
Augsburg/Hochzoll/Friedberg, 29.11.2018 (pca). Der Dienst in der ambulanten Pflege sei allzu oft ein „Gerenne“: Man habe zu wenig Zeit für die Klienten. Wochenenddienste, Bürokratie, wechselnde Dienstpläne und Einspringerdienste bei krankheitsbedingten Personalausfällen würden den Beruf zusätzlich erschweren. Das Image des Berufes in der Öffentlichkeit ist in der Tat nicht gut. Das ärgert Pflegekräfte. Eine davon ist Ulrike Hopfes. Sie ist die Pflegedienstleitung der Caritas-Sozialstation „Augsburg Hochzoll Friedberg und Umgebung Ökumenische Ambulante Pflege gemeinnützige GmbH“.
„Ich kann es nicht mehr hören, dass man so negativ über unseren Beruf spricht“, sagt sie. „Die Arbeit in der Pflege ist ein sehr schöner, hoch anspruchsvoller Beruf mit einer sehr großen Verantwortung.“ Michael Geisert, der als Gesundheits- und Krankenpfleger für diese Sozialstation arbeitet, stimmt ihr zu. „Ich erlebe kein Gerenne“, unterstreicht er. Auch an dem bürokratischen Aufwand der Pflegedokumentation stört er sich nicht. „Es geht doch darum zu dokumentieren, wie es Menschen geht.“
Im Gespräch mit Hopfes, Geisert und der Geschäftsführerin der Sozialstation, Gudrun Jansen, wird deutlich, warum sie anderer Meinung sind. Sie sind überzeugt davon, die Arbeit und damit die täglichen beruflichen Belastungen so gestalten zu können, dass sowohl die MitarbeiterInnen als auch die Klienten damit hochzufrieden sind.
Geisert zum Beispiel wohnt mit seiner Familie in Bad Wörishofen. Und trotzdem hält er an seiner Arbeitsstelle in der Watzmannstraße in Augsburg-Hochzoll fest. Dass er nicht in den regulären Schichtdienstplan passen würde, das war der Geschäftsführerin schon beim ersten Gespräch klar. Ihre Antwort darauf, als sie von Geiserts Wohnortsituation bei der ersten Kontaktaufnahme hörte, war: „Kein Problem. Da finden wir eine Lösung.“ Damit sich seine Anfahrt nach Augsburg lohnt, wurde mit ihm ein eigener Dienstplan vereinbart. Er verbindet an einem Tag die Früh- und die Mittagsschicht mit Pause sowie den Spätdienst an einem Tag. Bei einer jungen Mutter, die wieder in den Beruf einsteigen wollte, aber nicht zur regulären Zeit um 6.30 Uhr mit der Schicht hätte anfangen können, wurde eine „Mütter-Tour“ vereinbart. Sie beginnt erst um 8.30 Uhr und wird so geplant, dass die junge Mutter mittags wieder rechtzeitig zurück bei ihrem Kind sein kann.
„Das ist hier einfach toll, wie sehr unsere Leitungskräfte dazu bereit sind, auf unsere Wünsche als Mitarbeiter einzugehen und individuelle Vereinbarungen zu treffen“, sagt Geisert. An keiner Stelle, so Jansen und Hopfes, ergäbe sich daraus ein Nachteil – weder für die Klienten noch für die Mitarbeiter. Geiserts Dienstplan entlaste nämlich andere. „Unser System erhöht unsere Flexibilität, die Mitarbeiter profitieren sogar voneinander. Es ist ein Win-Win-System für uns alle.“
Hektik strahlt Geisert auf keinen Fall aus. „Ein Gerenne“, wie es immer wieder heißt, kennt er auch nicht. Dafür sorgt Hopfes vor. Sie plant die Touren für die MitarbeiterInnen. Wer fährt mit welcher fachlichen Kompetenz auf welcher Tour zu welchem Patienten mit welchen individuellen Bedarfen und Wünschen, damit die Tour in sich auch eine schlüssige Abfolge ergibt? Das ist keine einfache Aufgabe, insbesondere weil die Kassen für die einzelnen Pflegeleistungen der Grund- und Behandlungspflege genaue Minutenvorgaben machen.
Hopfes weiß, dass der „sogenannte Minutentakt“ am Ende unzufriedene Klienten und unzufriedene MitarbeiterInnen zurücklassen kann. „Wer in der Pflege arbeitet, will aber für Menschen arbeiten und nicht für den Minutentakt.“ Hopfes plant deshalb bei jeder Tour drei Mal zehn Minuten für die Pause ein. „Das nimmt Druck aus der Pflege und Druck vom Mitarbeiter.“ Das wirke sich auch in finanzieller Hinsicht nicht negativ für die Caritas-Sozialstation aus.
Und wenn die Behandlungspflege, zum Beispiel einen Wundverband neu anzulegen, mehr Zeit in Anspruch nimmt als eingeplant, oder die Pflegekraft im Verkehrsstau wegen eines Unfalls steckt, dann kann sie in der Sozialstation anrufen. „Wir haben jeden Tag einen sogenannten Hintergrunddienst von sieben bis 20 Uhr“, erklärt die Geschäftsführerin Jansen. Trete eine Verspätung ein, gibt die Pflegekraft dem Hintergrunddienst Bescheid. Dieser ruft dann die Klienten an, die zu dieser Tour gehören und auf die Pflegekraft warten. „So wissen sie, dass es zu einer Verspätung kommt.“ Für Geisert und seine KollegInnen ist das eine Entlastung. „Ich kann meine Arbeit in Ruhe zu Ende bringen. Und wenn ich im Stau stehe, empfinde ich keinen Zeitdruck, weil ich weiß, dass meine nächsten Klienten informiert werden, dass ich noch komme – wenn auch etwas verspätet.“ Zwischen 17 und 20 Uhr übernehmen zwei junge Menschen, die die Ausbildung zu Heilerziehungspfleger machen, den Hintergrunddienst. Sie verdienen sich dabei ein Zubrot. Von 20 Uhr bis zum Morgen am nächsten Tag um sieben Uhr kann man sich an den Caritas-Hausnotruf wenden, dem alle Augsburger Caritas-Sozialstationen angeschlossen sind.
Auch für den Fall, dass eine Pflegekraft krankheitsbedingt ausfällt, hat die Caritas-Sozialstation einen Plan, der alle entlastet. Das „Standby-System“ besagt, dass der Dienstplan genau vorgibt, wer an welchem Tag vielleicht einspringen können muss. Dafür muss die eingeteilte Person nur in der Früh von 6.30 bis 6.40 Uhr rufbereit sein. „Rufen wir sie nicht an, wissen unsere MitarbeiterInnen, dass sie dann den Tag frei haben. Sie müssen nicht den ganzen Tag auf den Sprung sein können“, betont Jansen.
Hinzu kommt die feste Regelung, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter maximal sechs Tage hintereinander arbeitet. Dann hat er zwei Tage frei. Hopfes betont diese Regelung ihrer Caritas-Sozialstation, weil sie von anderen weiß, wo zuweilen 12 Tage hintereinander durchgearbeitet werden muss.
In einem Punkt bleiben Jansen und Hopfes hart. „Die Dokumentation muss sein, und sie muss gut und richtig erfolgen.“ Geisert versteht das und unterstützt auch diese Haltung. „Die Dokumentation ist mit das Wichtigste unserer Arbeit“, sagt er. Es gehe doch nicht nur darum, dass die Verrichtungen der einzelnen Pflegedienstleistungen abgehakt werden, hier würden auch der Verlauf der gesundheitlichen Entwicklung, die Entwicklung einer Wunde oder auch besondere psychische Belastungen z. B. vermerkt. Nur so könne eine Pflegekraft auch sehen, ob sich der Zustand einer Patientin oder eines Patienten stabilisiere, verbessere oder verschlechtere.
Dass eine Dokumentation nicht leicht sei und auch Zeit in Anspruch nehme, die man vielleicht doch ganz gerne lieber für einen Patienten verwenden möchte, das leugnen Jansen und Hopfes nicht. Sie wissen um die Schwierigkeiten. Ihre Lösung liegt deshalb in der fortwährenden Schulung ihrer MitarbeiterInnen. Einmal im Monat werden im Rahmen der Dienstbesprechungen die Neuerungen und Anpassungen der mobilen Datenerfassungsgeräte (Smartphone-Geräte) geschult. „Dann, so unsere Erfahrungen, geht so manches schneller von der Hand und frisst weniger Zeit“, sagt Jansen.
Die Geschäftsführerin wie auch die Pflegedienstleitung wissen sich dem Ziel der individuellen Pflege verpflichtet. „Doch dies setzt auch die individuelle Pflege der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter voraus“, unterstreicht Jansen. Das scheint ihr zu gelingen. Sorgen wegen zu weniger Bewerbungen hat sie nicht. „Es bewerben sich ständig Pflegekräfte bei uns.“