"Die neue Bundesregierung ist in Zeiten multipler Krisen angetreten, und sie ist sich der Bedeutung dieser Aufgabe - bei allem Anfangsstolpern - erkennbar bewusst. Das wird insbesondere in der hohen Aufmerksamkeit für die Außenpolitik spürbar, in der die Bundesregierung im engen Schulterschluss mit Europa auf das unberechenbare Agieren eines amerikanischen Präsidenten und auf eine explosive Weltlage im Nahen Osten und in der Ukraine reagiert.
Weniger spürbar ist der Gestaltungsanspruch bei den drängenden sozialen Herausforderungen. Die demographischen Risiken, die Klimasozialpolitik und die Corona-Folgen erfordern den gleichen politischen Willen und die gleiche Modernisierungskraft. Die Zivilgesellschaft findet - etwa beim Zukunftspakt Pflege oder bei der Verausgabung des Sondervermögens - nur sehr zögerlich Berücksichtigung. Für die energetische Sanierung sozialer Einrichtungen und für die Digitalisierung wichtiger Hilfsangebote haben wir als Wohlfahrtsverbände vor Wochen 13 Milliarden Euro gefordert. Bislang haben wir keine zufriedenstellende Antwort erhalten.
Besonders große Sorge bereitet uns zum Zeitpunkt der 100 Tage-Bilanz das, was bislang zur Reform der Wehrpflicht erarbeitet wurde. Ziel der Bundesregierung muss es sein, Bundeswehr, Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie die sozialen Einrichtungen für die verschiedenen Krisen und Katastrophen gut aufzustellen. Dafür braucht es integrierte moderne Lösungen, die ressortübergreifend angelegt sind.
Der Entwurf des Wehrdienstmodernisierungsgesetzes atmet jedoch einen anderen Geist und ist handwerklich enttäuschend. Das Gesetz ermöglicht es nur, junge Menschen für einen Resilienzdienst im Sinne eines Wehrdienstes anzusprechen. Informationen über die anderen Gesellschaftsdienste werden explizit nicht einbezogen. Das Gesetz enthält keine konkreten Ziele, wie viele junge Menschen in den nächsten zwei Jahren für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr oder in einem anderen Freiwilligendienst gewonnen werden sollen. So werden wir die drängenden Herausforderungen nicht bestehen."