Mehr als Medizin und Pflege
Roland Knillmann von den Niels-Stensen-Kliniken erklärt im Interview mit Annedore Beelte, wie christliche Werte in den Klinikalltag einfließen.
Was zeichnet ein christliches Krankenhaus aus?
Natürlich ist uns eine sehr gute medizinische und pflegerische Versorgung wichtig. Darüber hinaus bieten wir unseren Patienten aber auch eine andere Form der Unterstützung an. Sie sind krank, haben Ängste und Sorgen. Damit wollen wir sie nicht alleine lassen. Deshalb kommen zum Beispiel Seelsorger auf Wunsch zu ihnen zum Gespräch. Wir gehen auf jeden Patienten ein, so gut es geht.
Woran merken die Patienten das?
Manchmal haben schon kleine Dinge große Wirkung: Wenn ein Kind operiert wird, bekommen die Eltern einen Pieper. So können sie die Wartezeit individuell gestalten, zum Beispiel in die Cafeteria gehen. Auch dort können wir sie sofort erreichen, wenn die Operation beendet ist. Es sind viele kleine und größere Maßnahmen, die zusammen das Besondere unserer Häuser ausmachen: Unsere Patienten merken, dass wir uns kümmern.
Spielt der Glaube dabei für Patienten eine Rolle?
Besonders intensiv wird die Begleitung bei Sterbenden und deren Angehörigen. Hier haben christliche Krankenhäuser eine lange Erfahrung. Denn an den Grenzen des Lebens stellt sich für viele die Frage nach Sinn und Gott völlig neu. Dann ist es gut, wenn jemand da ist, der darauf eingehen kann und auch bereit ist für und mit dem Sterbenden zu beten. Dazu leiten wir auch unsere Mitarbeiter an, die das möchten.
Der Tod wird in unseren Häusern nicht verdrängt. So beerdigen wir zum Beispiel Kinder, die tot geboren wurden oder bei uns sterben, weil sie als Frühchen nicht überlebensfähig waren. In regelmäßigen Gottesdiensten denken wir an sie - das ist ein wichtiges Zeichen für Eltern, die ihr Kind verloren haben. Diese wertschätzende und familiäre Atmosphäre ist uns wichtig.
Sollte nicht jedes Krankenhaus für eine persönliche Atmosphäre sorgen?
Ja, schon. Aber die PROGNOS-Studie, die 2009 die Bedeutung kirchlicher Krankenhäuser für das Gesundheitswesen in Deutschland untersucht hat, sagt, dass es den christlichen Häusern besser gelingt. Zum Beispiel durch das Modell der Beziehungspflege. Hier bekommt jeder Patient eine Krankenschwester oder einen Pfleger als Ansprechperson für alle Anliegen.
Entscheiden Ärzte in ethischen Fragen anders als in Krankenhäusern weltlicher Träger?
Wichtig ist uns die Begleitung der Mitarbeiter - auch in Situationen, bei denen es um ethische Fragen geht. Zum Beispiel, ob Behandlungen weitergeführt werden, auch wenn sie sehr belastend sind, weil es Hoffnung auf Besserung gibt. Oder ob der Patient dem Tod so unumkehrbar nah ist, dass eine palliative, also schmerzlindernde Begleitung auf dem Weg des Sterbens auch aus christlicher Sicht würdiger ist. Fallbesprechungen helfen uns, bei jeder Entscheidung die Würde des Patienten zu achten. Ein Ethikkomitee berät und unterstützt die Mitarbeiter in diesen Situationen.
Generell gibt es in katholischen Krankenhäusern keine Abtreibungen. Als Katholiken glauben wir, dass das Leben im Moment der Zeugung beginnt und nicht von Menschen beendet werden darf. Wir führen auch keine Präimplantationsdiagnostik durch, weil wir überzeugt sind, dass der Mensch nicht das Recht hat, zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben zu unterscheiden.
Kann man nachlesen, an welchen Werten sich ein Krankenhaus orientiert?
Dazu haben christliche Krankenhäuser ihr Leitbild. Das beschreibt Ziele, Werte und den Geist, der die Mitarbeiter und das gesamte Angebot des Hauses auszeichnen soll. Dort kann zum Beispiel stehen, dass Ehrenamtliche in die Begleitung von Patienten eingebunden werden sollen. Damit das gelingt, werden Konzepte ausgearbeitet und umgesetzt.
Erwirtschaften christliche Krankenhäuser Profit?
Ja, aber es geht nicht um Gewinnabschöpfung. Wenn wir Gewinne erwirtschaften, werden sie in die Verbesserung unserer Arbeit investiert. So bleiben wir wettbewerbsfähig.
Gibt es eine Qualitätssicherung für den christlichen Geist eines Krankenhauses?
Die gibt es: Die evangelische und die katholische Kirche haben mit proCum Cert ein Zertifizierungsunternehmen, dessen Mitarbeiter unsere Häuser prüfen. Sie schauen zum Beispiel, ob wir religiöse Wünsche der Patienten erfragen und berücksichtigen - übrigens auch bei Angehörigen nichtchristlicher Religionen. Außerdem prüfen sie, wie wir Seelsorger einbinden und ob zum Beispiel ein Andachts- oder Abschiedsraum für Verstorbene vorhanden ist. Nur, wenn die Kriterien erfüllt sind, gibt es ein Qualitätssiegel.
Roland Knillmann leitet die Stabsstelle Unternehmenskommunikation der Niels-Stensen-Kliniken GmbH Stabsstelle Niels-Stensen-Kliniken. Zu dem christlichen Träger gehören Krankenhäuser, Altenhilfeeinrichtungen und weitere Einrichtungen des Gesundheitswesens in der Region Osnabrück.