Die Tür zum Leben offenhalten
Anne Müller und Katharina Kock vom Caritas-Hospiz Berlin-Pankow (v. l.).Deutscher Caritasverband e.V.
Anne Müller (Pflegedienstleitung und Pflegefachkraft):
In den Kursen geht es darum, Angehörige, aber auch alle interessierten Menschen, im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu stärken. Viele fühlen sich hilflos, wenn ein geliebter Mensch im Sterben liegt. Wir geben praktische Hilfen, wie man Beschwerden lindern, Gespräche führen oder auch sich selbst vor Überlastung schützen kann. Wichtig ist uns: Die Kurse sind für alle offen, nicht nur für Angehörige. Vorkenntnisse braucht niemand.
Katharina Kock (Pflegefachkraft und Ehrenamtskoordinatorin):
Das Konzept stammt von der "Letzte-Hilfe Deutschland gGmbH", die diese Kurse entwickelt hat. Wir müssen uns als Kursgeber:innen dafür zertifizieren lassen. Im Prinzip sind die Angebote vergleichbar mit Erste-Hilfe-Kursen, nur eben für die letzte Lebensphase. Ein Kurs dauert vier Stunden, ist kostenlos und lebt von Spenden.
Caritas: Wie sind Sie dazu gekommen, diese Kurse anzubieten?
Anne Müller: Wir haben gemerkt, dass Angehörige im Hospiz oder zu Hause oft unsicher sind. Viele Gespräche, die wir führen, drehen sich um die Frage: Wie kann ich meinem Vater, meiner Mutter, meinem Partner beistehen? Manche kommen auch zu uns, obwohl ihre Eltern oder Großeltern noch nicht im Hospiz sind. Gerade jüngere Menschen wollen wissen: Wie reagiere ich, wenn meine Oma leidet? Diese Begleitung liegt uns sehr am Herzen.
Caritas: Welche Verbindung sehen Sie zwischen den Kursen und der Suizidprävention?
Katharina Kock: Die Kurse vermitteln Sicherheit. Wenn Angehörige lernen, über Krankheit, Schmerz und Verlust offen zu sprechen, dann fühlen sich Sterbende eher angenommen. Hinter einem geäußerten Sterbewunsch steckt oft ein anderes Bedürfnis, wie unerträgliche Symptome, Angst oder das Gefühl, nicht mehr dazuzugehören. Wenn wir ehrlich und direkt ansprechen, was ist, kann sich das verändern.
Anne Müller (links) und Katharina Kock geben einen Letzte-Hilfe-Kurs.Deutscher Caritasverband e.V.
Caritas: Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Teilnehmenden?
Anne Müller: Sehr positive! Die Menschen gehen gestärkt nach Hause und fühlen sich sicherer. Sie sind dankbar, dass sie über schwierige Themen sprechen können und Handwerkszeug zur Verfügung gestellt bekommen. Auch unsere neuen Ehrenamtlichen machen die Kurse und profitieren davon.
Caritas: Sie sprechen das Thema Sterbewunsch an. Wie erleben Sie das im Alltag?
Anne Müller: Häufig wollen Gäste, die einen Sterbewunsch äußern nicht sterben, sondern "so" nicht leben. Das ist ein großer Unterschied. Es kommt nicht selten vor, dass Gäste, die wir aufnehmen, ihren Lebensmut verloren haben. Sobald sie im Hospiz aufgenommen sind, verändert sich ihre Sicht. Sie sind nicht mehr allein, bekommen Zuwendung, fühlen sich sicher und ernst genommen. Das Kümmern, Dasein, Sich-wertig-fühlen verändert den Blick auf das Leben.
Katharina Kock: Uns ist wichtig, Suizidwünsche nicht zu tabuisieren. Wir hören zu und bewerten die Menschen nicht. Aber wir beenden kein Leben, wir begleiten es.
Caritas: Der Slogan der Aktion lautet "Tür zum Leben offenhalten". Was bedeutet das für Sie?
Anne Müller: Dass wir die Menschen nicht als Sterbende sehen, sondern das Sterben als Teil des Lebens. Es geht darum, Sicherheit zu geben, medizinisch, pflegerisch, menschlich.
Katharina Kock: Wir verstehen uns als Tür zum Leben. Im Hospiz zählen nicht Status, Beruf oder Geld. Wir nehmen die Menschen so an, wie sie sind. Wir betreuen Lebende, das ist unsere Haltung.
Caritas: Wie gestalten Sie im Hospiz den Alltag, um "die Tür zum Leben" offenzuhalten?
Katharina Kock: Wir schaffen Normalität – Einzelzimmer mit Bad, gemeinsame Mahlzeiten, offene Besuchszeiten. Angehörige können übernachten, Haustiere sind willkommen. Es gibt Feste, Flurkonzerte, kleine Ausflüge oder Kooperationen mit dem Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). Wenn unsere Gäste nicht hinausgehen können, holen wir das Leben hinein.
Caritas: Zum Schluss – Wie ist Ihr Haus personell aufgestellt?
Anne Müller: Wir betreuen im Schnitt 14 Gäste mit rund 20 Vollzeitstellen, das ist im Vergleich zu anderen Pflegeeinrichtungen eine sehr gute Ausstattung. Eigentlich sollte jeder Mensch in der Pflege diese Art der Betreuung erfahren können.
Katharina Kock: Natürlich haben wir Wartelisten, wie alle Hospize. In Berlin gibt es 18 Einrichtungen unserer Art, Angehörige, Ärztinnen oder auch die Betroffenen selbst können sich anmelden. Wichtig für uns ist: Wer zu uns kommt, soll wissen, dass er nicht allein ist.
- Weitere Informationen und die nächsten Kurstermine finden Sie auf der Webseite des Caritas Hospiz Pankow
- Mehr über die Kurse erfahren Sie bei der Letzte Hilfe Gesellschaft