Familien werden gestärkt, entlastet und stabilisiert
Mit Unterstützung der Familienpflege können Ausnahmesituationen nachhaltig bewältigt werden – wenn es die Finanzierung durch die Kostenträger zulässt.DCV/ Margit Wild
Anlässe für Familienpflege sind vor allem gesundheitsbedingte Einschränkungen, Belastungs- und Überforderungszustände und Risikoschwangerschaften. Die Ergebnisse zeigen, dass solche Situationen mit Unterstützung der Familienpflege nachhaltig bewältigt werden können. Werden Familien in Krisensituationen schnell und ganzheitlich entlastet, so sind sie in der Lage ihre Selbstheilungskräfte einzusetzen und Lösungsmöglichkeiten für ihre schwierige Situation zu finden.
Im Fall von Erkrankungen verringern sich die Kosten der medizinischen Behandlung, da die Unterstützung zu einer Erholung der belasteten Personen beiträgt. Und auch im Falle von Überforderungs- und psychischen Überlastungssituationen der Eltern verringert sich die Gefahr von kindeswohlgefährdenden Situationen und damit einhergehenden möglichen Folgekosten einer Fremdunterbringung.
Klingt wie eine Binsenweisheit, ist aber nicht selbstverständlich
Was wie eine Binsenweisheit klingt, muss gegenüber Kostenträgern dieser ganzheitlich wirkenden Hilfeleistung immer wieder mühsam dargelegt werden. Die aktuelle Studie zur Situation der Dienste in der Diözese Trier lässt sich übertragen auf die Situation der Familienpflege und Dorfhilfe in anderen Bundesländern und Diözesen. Eindringlich wird dokumentiert, wie heilsam Entlastung, Beruhigung und Stabilisierung der schwierigen familiären Lage durch eine fachlich kompetente und passende Unterstützung wirkt.
In Interviews befragte das dip neben den Leitungskräften und Mitarbeiterinnen von Familienpflegediensten auch Familien, die durch die Familienpflege unterstützt wurden. Die folgenden Beispiele verdeutlichen die von der Familie geäußerte Wirkung der Fachkraft-Kompetenzen:
1. Förderung der Genesung durch die Beruhigung, dass die Kinder versorgt sind
Beim plötzlichen unfallbedingten Ausfall der alleinerziehenden Mutter mit drei Kindern erübrigte sich dank der Hilfe der Familienpflege die Suche und Planung einzelner Hilfestellungen für unterschiedliche Alltagssituationen: Die Versorgung der Kinder konnte gesichert und stabilisiert werden. Auch die Besuche der Schule und des Sonderkindergartens wurden organisiert. Der schnell hergestellte vertrauensvolle Zugang der Familienpflegerin zu den Kindern, der sehr gute Kontakt zu den mitunterstützenden Familienangehörigen sicherte und stabilisierte die Situation der Kinder. Dies wiederum entlastete die Mutter und wurde von ihr als genesungsfördernd empfunden.
2. Nachhaltige Entlastung durch pädagogische Kompetenz
Als besonders wichtig wurde seitens der Eltern von neugeborenen Mehrlingskindern die pädagogische Kompetenz der Familienpflegerin benannt. Die fachliche Unterstützung und Beratung bei Mehrlingskindern zum Umgang mit Schlaf, Zubettbringen der Kinder und Ernährung wurden als nachhaltig entlastend empfunden. Auch die Flexibilität der Fachkraft, die sich den akut verändernden Bedarfen der Familien anpassen konnte, wurde als wertvoll stützend wahrgenommen.
3. Destabilisierung und Vernachlässigung vorbeugen
Bei einem schwer erkrankten Geschwisterkind war die Betreuung und die Zuwendung zum jüngeren gesundem Kind sehr unterstützend und stabilisierend, da die Eltern sich in einer länger anhaltenden Ausnahmesituation befanden, in der das Augenmerk auf dem lebensbedrohlich erkrankten Kind lag.
4. "Alltagsnormalisierung" wirkt entlastend und stabilisierend für die Kinder
Der strukturierende Einsatz der Familienpflegerin bei einer psychischen Erkrankung der Mutter wirkte für die Kinder stabilisierend und normalisierend. Sie konnten ihren Alltag weitgehend so leben wie zuvor, auch wenn durch die Erkrankung der Mutter alles andere anders war. Auch für die erkrankte Mutter wirkte die Kombination aus gemeinsamem Tun und der Bewältigung der haushälterischen und betreuenden Aufgaben vertrauensaufbauend. Sie fühlte sich entlastet und zudem durch Gespräche psychosozial unterstützt.
Familienpflege braucht sichere Finanzierungsgrundlage
Trotz der offensichtlichen Wirkungen wird Familien die ganzheitlich stärkende Stützung oftmals erschwert, da die Familienpflege mit ihren kompetenten Fachkräften völlig unzureichend finanziert ist. Die hauptsächlichen Kostenträger der Leistungen sind zum einen die Krankenkassen, zum anderen die Kinder- und Jugendhilfe. Daneben werden auch bei der Eingliederung von Menschen mit Behinderung Einsätze finanziert.
Die Unterstützung von Familien in oft existenziellen Ausnahmesituationen durch die Familienpflege ist eine grundlegende Aufgabe der Gesellschaft, die gesichert und bedarfsgerecht ausgebaut werden muss. Und das geht nur wirtschaftlich kostendeckend.
Die Kostenträger sind dringlich gefordert, den Diensten eine wirtschaftlich auskömmliche Finanzierungsgrundlage zu ermöglichen, damit diese auch zukünftig die passende Entlastung, Stabilisierung und Stärkung von Familien gewährleisten können. Hierzu liefert die Studie Belege und Argumente, um in Gesprächen mit Kostenträgern und politisch Verantwortlichen eine Verbesserung der Situation der Familien durch die finanzielle Sicherung der Dienste zu erreichen. Wünschenswert ist, dass es zu diesen Gesprächen kommt.
Die 2016 erschienene Studie zur Familienpflege, die im Auftrag der Caritas-Arbeitsgemeinschaft der Sozialstationen Rheinland-Pfalz und Saarland durchgeführt wurde, kann hier als PDF heruntergeladen werden.