Wir brauchen eine nachhaltige Finanzierung unserer Arbeit
Herr Millies, wie finanziert sich die Bundeszentrale des Deutschen Caritasverbandes?
Hans Jörg Millies ist Finanz- und Personalvorstand sowie Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes.Felix Groteloh
Mir ist es wichtig, hier zwischen den Aufgaben unseres Hilfswerkes Caritas international und unseren Inlandsaufgaben zu unterscheiden. Die internationalen Aufgaben werden durch Spenden von Privatpersonen, Unternehmen und einigen Bistümern sowie durch öffentliche und kirchliche Zuschüsse gefördert.
Die Inlandsarbeit der Zentrale wird im Wesentlichen durch Mitgliedsbeiträge1, eine jährliche Zuwendung des Verbandes der Diözesen Deutschlands, durch einen Zuschuss des Bundes sowie durch Erträge aus Kapitalanlagen und Immobilien finanziert.
Aus den Gesamteinnahmen steht dem DCV zur Finanzierung der satzungsgemäßen, bundeszentralen Aufgaben lediglich ein Anteil von rund sieben Prozent zur Verfügung. 93 Prozent der Einnahmen geben wir weiter zur Finanzierung von Projekten und Diensten der Caritas in Deutschland und weltweit. Mit 715 Projekten in 78 Ländern hat Caritas international im Jahr 2019 weltweit geholfen.
In Deutschland werden zum Beispiel Aufgaben in den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe, Migration und Integration sowie beispielsweise das Projekt "Stromspar-Check" durch Mittelweiterleitungen gefördert. Beim "Stromspar-Check" werden Bedürftige unterstützt, ökologisch und ökonomisch veraltete Haushaltsgeräte durch moderne, effektivere Geräte zu ersetzen. Hier verbinden sich soziales Engagement, Förderung Benachteiligter und ökologische Aspekte in einem Projekt - Hilfe, die ganz unmittelbar bei Betroffenen ankommt.
Vermögenserträge werden unter anderem durch die Vermietung von Immobilien erzielt. Warum ist der DCV als gemeinnütziger Verein unternehmerisch tätig?
Wir stellen fest, dass die Einnahmen des Deutschen Caritasverbandes, die für die Finanzierung der Verbandszentrale verwendet werden können, insgesamt rückläufig sind. Der DCV ist aber auf eine nachhaltige Finanzierung angewiesen, um seine Aufgaben zu erfüllen. Deshalb investieren wir auch in Wohnimmobilien. Gleichzeitig schaffen wir damit dringend benötigten Wohnraum.
Erträge aus der Vermietung von Wohnungen sind ein wichtiger Finanzierungsbestandteil der Arbeit des Deutschen Caritasverbandes.
Der DCV hat sich in den letzten Jahren verstärkt für die Bereitstellung von günstigem Wohnraum in Deutschland starkgemacht. Wie kommt der Verband bei der Vermietung der Immobilien seinen eigenen Forderungen nach?
Der Deutsche Caritasverband hat einen im Wesentlichen aus Erbschaften gewachsenen Immobilienbestand. In einem Großteil der Mietwohnungen leben Langzeitmieterinnen und -mieter. Aus sozialen Erwägungen heraus wurden diese Mieten nur moderat erhöht und liegen zum Teil deutlich unter der ortsüblichen Miete. Auch bei Neuvermietungen achten wir darauf, dass die erhobene Miete die ortsübliche Miete nicht übersteigt, so dass auch Haushalten mit geringen oder mittleren Einkommen eine Anmietung ermöglicht wird.
Um die nachhaltige Finanzierung seiner Arbeit sicherzustellen, insbesondere vor dem Hintergrund der derzeitigen Zinslage, hat der DCV auf zwei seiner Grundstücke in Freiburg Neubauten mit insgesamt 81 Wohnungen errichtet. Bei diesen orientieren wir uns am Freiburger Mietspiegel. 40 Prozent der Mietfläche des Areals in der Freiburger Wölflinstraße wird, in Anlehnung an das Projekt der Erzdiözese Freiburg "Bezahlbares Wohnen in Baden", sozial gefördert. Die Förderung sieht vor, dass wir einkommensschwachen Personen einen Zuschuss von 1,50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche bei einer gedeckelten Grundmiete von elf Euro pro Quadratmeter geben. Diese Förderung bestreitet der DCV aus Mieteinnahmen anderer Wohnungen.
Sollten die Wohnungen der Caritas nicht langfristig und zu moderaten Preisen unterhalb des Mietspiegels vermietet werden?
Als Vermieter achten wir darauf, unserer Verantwortung gegenüber den Menschen, insbesondere den Hilfebedürftigen unter ihnen, langfristig gerecht zu werden. Wir verfolgen keine reinen Wirtschaftsinteressen und handeln nicht mit dem Ziel des maximalen Profits. Durch die Bezuschussung eines Teils der Mietfläche verzichten wir beispielsweise auf Mieteinnahmen. Wir müssen aber gleichzeitig Verantwortung dafür tragen, vernünftig und wirtschaftlich sinnvoll mit unseren Finanzmitteln umzugehen, damit wir unsere sozialpolitische Arbeit langfristig fortführen können. Angenommen, der Deutsche Caritasverband würde seine Wohnungen nur zum Selbstkostenpreis vermieten, würde ein wichtiger Finanzierungsanteil der Inlandsarbeit fehlen. Diese Gelder benötigen wir einerseits, weil Zuschussgeber fast immer einen Eigenanteil voraussetzen. Dieser kann bei zehn Prozent liegen und bis über 50 Prozent hinausreichen. Andererseits sichern diese Einnahmen zusammen mit anderen Mitteln zum Beispiel die Arbeit der Organe (Delegiertenversammlung, Caritasrat, Präsident und Vorstand) des Deutschen Caritasverbandes, ermöglichen die Presse- und Medienarbeit, die Bearbeitung vieler sozial- und fachpolitischer, theologischer, ethischer Fragen oder auch der Herausforderungen durch die Digitalisierung.
2018 hat sich gezeigt, dass die laufenden Ausgaben des Betriebshaushaltes nicht gedeckt sind und aus Vermögensüberschüssen und auch aus Rücklagen finanziert werden müssen. Was sind die Ursachen dafür und wie wollen Sie diese Finanzierungslücke schließen?
Bei gleichbleibendem Personaleinsatz steigen die Personalkosten stetig, Grund dafür sind Tarifsteigerungen. Die Finanzierung hingegen bleibt deutlich hinter dieser Kostenentwicklung zurück. Die Mitgliedsbeiträge erhöhen sich jährlich um rund 30.000 Euro, die Personalkosten dagegen steigen, je nach Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission, um 500.000 bis 600.000 Euro pro Jahr. Die jährliche Zuwendung des Verbandes der Diözesen Deutschlands ist über viele Jahre erheblich gesunken und steht im Moment bei rund 3,2 Millionen Euro. Weiterhin hat diese Zuwendung eine hohe Bedeutung für uns. Sie sichert dem Deutschen Caritasverband unter anderem die kontinuierliche Positionierungsarbeit in politischen Debatten, die Mitwirkung bei Gesetzesvorhaben und die Einbringung der katholischen Perspektive unabhängig von (partei-)politischen oder staatlichen Vorgaben. Der Zuschuss des Bundes ist nach langer Zeit erhöht worden. Schließlich hat die Zinsentwicklung am Kapitalmarkt in den letzten Jahren dazu geführt, dass unsere Vermögenserträge in hohem Maße gesunken sind. Dies sind die Ursachen für das finanzielle Defizit. So haben wir uns entschieden, einen Organisationsentwicklungsprozess in der Zentrale und in dessen Folge einen verbandlichen Prozess anzustoßen. Wir wollen die Arbeit in der Bundeszentrale zukunftssicher organisieren und zugleich unsere Kosten auf ein Maß senken, das wir finanzieren können.
1 Mitglieder sind: 27 Diözesan-Caritasverbände, 17 Fachverbände und der Deutsche Orden