Reformwerkstatt Pflege
Auf den letzten Metern der Legislaturperiode hat sich die GroKo an den großen Baustellen des Dauerpatienten Pflege versucht. Der große Wurf ist es nicht geworden. Kleinreden sollte man die vorgenommenen Schritte aber auch nicht. Drei zentrale Maßnahmen der Konzertierten Aktion Pflege zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte wurden umgesetzt: ein Personalbemessungssystem, mehr Kompetenzen für Pflegekräfte und Tarifbindung. Nur wer nach Tarif bezahlt oder Tarif anwendet, wird zukünftig als Pflegeanbieter zugelassen. Tarifverträge gelten bei der Refinanzierung generell als wirtschaftlich. Orientierungsmaßstab für die Refinanzierung für Nichttarifgebundene soll der Durchschnitt der regionalen Entgelte plus maximal zehn Prozent sein. Es ist zu hoffen, dass damit Spielräume für Tarifverbesserungen geschaffen werden. Wünschenswert wäre gewesen, die hauswirtschaftlichen Kräfte in die Tariftreue-Regelung einzubeziehen.
Die bessere Entlohnung der Pflegenden kostet die Pflegebedürftigen Geld. Daher nahm man sich endlich der stetig steigenden Eigenbeteiligung der Pflegebedürftigen an. Heraus kam, mit heißer Nadel gestrickt, ein Modell der stufenweisen prozentualen Reduzierung der pflegebedingten Kosten. Statt die Vor- und Nachteile einer "echten Teilkasko", einer prozentualen Begrenzung, einer Leistungsdynamisierung oder einer Karenzzeit zu diskutieren, entschied man sich eilig für ein Modell, bei welchem die künftig steigenden Tarife und der geplante Personalzuwachs in den stationären Einrichtungen mit zeitlicher gestaffelter Entlastung weiter von den Pflegebedürftigen selbst gezahlt werden. Dem Kostenzuwachs durch die zukünftige Tariftreue der privaten Pflegedienste wird durch eine fünfprozentige Anhebung der Pflegesachleistung entgegengewirkt.
Bei der Umsetzung des Personalbemessungsinstruments werden wir mit Argusaugen darauf achten, dass kein Bundesland durch das bundeseinheitliche System Personal abbauen muss. Diese Gefahr besteht für Bundesländer mit einem Personalschlüssel, der über dem künftigen Bundesdurchschnitt liegt.
Verbessert wurde durch die Reform die Finanzierung der Kurzzeitpflege. Der große Wermutstropfen dieser Reform ist jedoch, dass mit dieser Ausnahme die pflegenden Angehörigen komplett leer ausgehen: keine Erhöhung von Pflegegeld und von Entlastungsleistungen. Hier rächt sich das auf Kante genähte Finanztableau. Für die Reform muss in die Reserven der Pflegeversicherung gegriffen werden. Eine nachhaltige Finanzierung der Pflege wird daher eine der ersten Aufgaben der nächsten Regierung sein.