Caritas: Wie bist Du zu [U25] gekommen?
Tegtmeyer: Ich habe das Projekt im Internet gefunden, als ich gezielt nach einem Ehrenamt gesucht habe. Es hat für mich auch einfach gut gepasst, weil ich ein Psychologiestudium mache. Mir war von Anfang an klar, dass mich dieses Ehrenamt erfüllen kann, weil ich damit Menschen helfen kann.
Caritas: Wie war Dein Einstieg bei [U25]?
Tegtmeyer: Zunächst gibt es ein kurzes Gespräch, um sich gegenseitig kennenzulernen, danach eine Reihe mit Ausbildungsworkshops. Dort lernen wir in einer festen Gruppe Theorie, beantworten gemeinsam erste Probemails, erhalten dazu Feedback und reflektieren über eigene Krisen. Man wird immer regional betreut und ausgebildet. Die Ausbildungen werden nicht das ganze Jahr angeboten und die Termine werden regelmäßig auf der Website veröffentlicht. In Berlin sind wir aktuell über 60 Peers.
Caritas: Wie kann man bei [U25] einsteigen?
Tegtmeyer: Man sollte zuverlässig und motiviert sein, sich um Andere zu kümmern. Außerdem sollte man bereit sein, über mögliche eigene Krisenerfahrung und die eigene psychische Gesundheit zu sprechen. Für die aktive Beratung muss man mindestens 16 und höchstens 27 Jahre alt sein.
Caritas: Was ist dein persönlicher Antrieb, um Dich in diesem Projekt zu engagieren?
Tegtmeyer: Ich möchte für Menschen in Krisen da sein. Ich hatte selbst eine Phase in meinem Leben, in der es mir nicht gut ging. Im Studium habe ich dann gemerkt, dass mir diese Arbeit Freude bereitet.
Caritas: Wie werdet ihr während eurer Tätigkeit begleitet?
Tegtmeyer: Wir haben monatliche Peer-Team-Treffen, eine Mischung aus Supervision und Austausch unter den ehrenamtlichen Peers. Die finden mal online, mal am Standort statt.
Caritas: Und wie ist das Miteinander im Team?
Tegtmeyer: Wir haben ein starkes Gemeinschaftsgefühl, mit vielen Events wie gemeinsamen Ausflügen, Sommerfest oder Bouldern gehen. Das Ehrenamt macht mir auch deshalb so viel Spaß, weil wir uns als Team so gut verstehen.
Caritas: Wie hoch ist die Nachfrage?
Tegtmeyer: Wir arbeiten mit einem Ampelsystem, und teilweise stehen unsere Kapazitäten auf Rot. Das heißt, es gibt deutlich mehr Anfragen, als wir beantworten können.
Caritas: Mit welchen Themen kommen die Ratsuchenden zu Euch?
Tegtmeyer: Häufig kommen die ersten Kontakte über Suizidgedanken zustande. Junge Menschen erleben oft ähnliche Prozesse. Sie lösen sich vom Elternhaus, erleben erste Liebesbeziehungen, finden ihre Identität und erleben dabei Unsicherheit. Viele junge Menschen wollen andere in ihrem Umfeld damit nicht belasten. Einsamkeit ist ein sehr häufiges Thema. Das ist oft verbunden mit Scham, sodass nicht darüber gesprochen wird. Unsere Stärke bei [U25] ist, dass Menschen, die sonst nicht darüber reden können oder wollen, uns anonym schreiben können. Manche möchten aktuell auch bewusst keine professionelle Hilfe im klassischen Sinn annehmen, weil sie damit schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Caritas: Wie läuft eine Beratung ab?
Tegtmeyer: Grundsätzlich gibt es kein Zeitlimit. Wenn jemand keine Beratung mehr möchte, endet sie. Wir fragen aber immer zweimal nach, ob noch Bedarf besteht. Danach wird der Prozess und der Kommunikationsaustausch komplett gelöscht. Die Beratung kann sehr individuell sein. Manche, die Hilfe suchen, führen eine Art Tagebuch, andere wollen sich austauschen oder eine Beziehung zu ihrer Beraterin oder ihrem Berater aufbauen. Wir arbeiten mit Fragetechniken und einem Sicherheitsplan für schwierige Momente.
Caritas: Was hat Dich in deiner Arbeit besonders gefreut?
Tegtmeyer: Am schönsten ist es, wenn man sieht, dass es einer Person besser geht und dass sie die Hilfe bekommt. die sie verdient. Das habe ich gerade aktuell bei einer Beratung, die schon seit einem Jahr läuft.
Caritas: Welche Entwicklungen wirken noch nach?
Tegtmeyer: Die Covid-Pandemie beispielsweise hat dazu geführt, dass viele junge Menschen psychische Probleme entwickelt haben. Das wirkt bis heute nach und wird uns bei [U25] und vielleicht in der ganzen Gesellschaft auch in Zukunft beschäftigen.
Caritas: Was möchtest Du der Gesellschaft mitgeben?
Tegtmeyer: Hört jungen Menschen zu! Gebt ihnen Freude und das Gefühl, einen Sinn zu haben.
Das Interview führte Anja Stoiser