Der Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands für die Diözese Trier, Domkapitular Benedikt Welter, warb dafür, sich beim kommenden Umlauf 2027 auf Begegnungen mit Menschen außerhalb des eigenen Alltags einzulassen.Foto: DiCV Trier / Kristina Kattler
Mainz/Trier/Saarbrücken/Koblenz. - 60 Personen aus Politik, Gesellschaft und Kirche haben sich darauf eingelassen, in andere Lebenswelten einzutauchen. Das gemeinsame Programm "Lebenswirklichkeiten" des Diözesancaritasverbandes Trier und des Bistums Trier ermöglichte Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträgern, Menschen in 16 Begegnungsräumen wie dem "Schöppche" in Neuwied, dem Bürgerservice in Trier, der Erwerbslosenhilfe Püttlingen oder der Wärmestube in Saarbrücken zu begegnen. Der Abschluss der dritten Runde fand am 9. Dezember im Landtagsrestaurant in Mainz statt. Schirmherr war der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Hendrik Hering, der für einen Tag in der Möbelbörse der Caritas in Kirchen mitanpackte.
"Wir brauchen genau solche Initiativen in unserer Zeit", betonte Hering. "Sie helfen, sich in Lebensumstände anderer Menschen - vor allem von jenen, die man nicht im eigenen täglichen Umfeld hat - besser hineinversetzen und nachvollziehen zu können." Ihn persönlich habe die Empathie der Mitarbeitenden in der Möbelbörse des Caritasverbands Rhein-Wied-Sieg untereinander und gegenüber ihren Kundinnen und Kunden beeindruckt. "Dieser Tag war eine Bereicherung für mich, ich habe wichtige Erfahrungen gemacht." Daher möchte der Landtagspräsident auch bei der nächsten Runde 2027 als Gast teilnehmen.
Begegnungen, die nachwirken
Die Gäste, von denen rund die Hälfte aus der Politik stammte, haben in den Monaten Oktober und November an einem sogenannten "Exposure"-Tag ihre berufliche Rolle abgelegt und Menschen in unterschiedlichen Begegnungsräumen kennengelernt. Sie wurden dabei von einem erfahrenen Team begleitet. Weihbischof em. Franz Josef Gebert war kürzlich im Rahmen von "Lebenswirklichkeiten" im Second-Hand-Kaufhaus der Communauté Emmaüs in Forbach (Frankreich). "Ich habe geholfen, gespendete Bücher einzusortieren und habe bei den Weihnachtsvorbereitungen unterstützt." Sein Aufenthalt habe ihn "sehr an die Verletzbarkeit des Lebens erinnert. Wie schnell können Lebenswege ganz anders verlaufen, als man sich das vorgestellt hat."
Die Landtagsabgeordnete Anette Moesta aus Plaidt war im Tagesaufenthalt für Menschen ohne Wohnung des Caritasverbands Koblenz. "Beeindruckt hat mich das Vertrauensverhältnis der Klienten mit den Mitarbeitern", berichtete sie von ihren Begegnungen. Sie lernte auch die Hürden und Probleme der Menschen kennen, die unter anderem durch die Digitalisierung entstehen.
Dr. Anna Köbberling, Landtagsabgeordnete aus Koblenz, wurde im Exposure in der sozialpädagogischen Familienhilfe des Jugendhilfswerks in Koblenz einmal mehr deutlich, "wie entscheidend Empathie, Geduld und fachliche Kompetenz in der sozialen Arbeit sind - und wieviel Gutes durch engagierte, professionelle Unterstützung bewirkt werden kann."
Den Sozialdienst des Caritasverbands Trier in der Gemeinschaftsunterkunft für geflüchtete Menschen in der Jägerkaserne in Trier begleitete Roland Hinzmann, Mitglied im Leitungsteam des Pastoralen Raums Bernkastel-Kues. "Durch das Kennenlernen einer individuellen Flüchtlingssituation ist mir noch einmal deutlich geworden, welche Werte lebensnotwendig, schützenswert sind und aus christlicher Sicht in den Diskurs gebracht werden sollten."
Markus Krastl, Pfarrer der Pfarrei Heilige Dreifaltigkeit Neunkirchen, war im Rahmen seines Exposures Teil der Fachberatungsstelle für Prostituierte und für Migrantinnen bei Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, Zwangsheirat und Gewalt "ALDONA e.V." in Saarbrücken. Zwar kannte er die Standorte des Vereins, "doch die Begegnungen mit Prostituierten hat meine Sicht auf die Situation vollkommen verändert." Für ihn wurde deutlich, "dass es als Kirche gerade notwendig ist, dorthin zu schauen, wo ich und wir gerne wegschauen." Um dies direkt umzusetzen, suche er gerade nach Möglichkeiten einer Kooperationsveranstaltung mit der Beratungsstelle, um deren Themen auch in seiner Pfarrei sichtbar zu machen.
2027 geht es weiter
In den exemplarisch vorgestellten Resümees der Teilnehmenden zeigten sich die individuellen Erfahrungen. "Ich bin davon überzeugt, dass das Programm Wirkung zeigt", sagte der Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands für die Diözese Trier, Domkapitular Benedikt Welter aus eigener Überzeugung als mehrmaliger Teilnehmer. Welter warb dafür, sich beim kommenden Umlauf 2027 auf Begegnungen mit Menschen außerhalb des eigenen Alltags einzulassen.
Abschließend dankte der Direktor des Caritasverbandes für die Diözese Trier, Christoph Wutz, allen Beteiligten des Programms, dem Organisationsteam, den Prozessbegleitungen und Begegnungsorten, den Gästen und den Gastgebenden für ihr Engagement und ihre Offenheit.
Informationen zum Programm und Podcast-Folgen mit Menschen in den Begegnungsräumen gibt es auf www.lebenswirklichkeiten-trier.de. (jf)
Hintergrund:
Das Programm "Lebenswirklichkeiten" findet in Zusammenarbeit mit dem Diözesan-Caritasverband Trier, dem Bistum Trier und dem Exposure- und Dialogprogramm von AGIAMONDO e.V. statt. Mit dem Exposure-Programm möchten die Caritas und das Bistum die Möglichkeit schaffen, sich anderen Lebenswirklichkeiten auszusetzen (to expose = aussetzen). Verantwortliche aus Politik, Kirche, Verwaltung, Justiz, Wirtschaft und Gesellschaft können als Gäste auf unterschiedliche Menschen treffen, denen sie sonst im Alltag nicht begegnen würden. Das Programm Lebenswirklichkeiten ist markenrechtlich geschützt und wird gefördert aus Mitteln der Aktion Mensch. 2027 startet der nächste Programmdurchgang.
Verschiedene Personen aus Politik, Gesellschaft und Kirche haben sich darauf eingelassen, in andere Lebenswelten einzutauchen.Foto: DiCV Trier / Kristina Kattler