Sander, Vorsitzende der Heessener Werbegemeinschaft, und Lütkenhaus, Stadtteilarbeiterin von der Caritas, sind die Gesichter der Aktion, die den Bezirk barrierefreier machen soll. Ein Gütesiegel gibt es jetzt, und das kann erworben werden.
Informationen für alle: Caritas-Chef Elmar Marx, Caritas-Stadtteilarbeiterin Beate Lütkenhaus und Bezirksvorsteherin Erzina Brennecke (von links) informieren beim Frühschoppen der Aktion „Heessen für alle“ über das gleichnamige Gütesiegel.WA Rother
Das war eines der Themen an diesem sonnigen Vormittag, aber es gab auch zahlreiche andere. Diese wurden durch Impulsvorträge angeschnitten oder bei anschließenden Fragen erörtert. Und zur Eröffnung betonte Bezirksvorsteherin Erzina Brennecke (SPD), dass das Siegel nicht nur die Funktion habe, barrierearme Betriebe und Vereine auszuzeichnen, sondern auch, Impulse zu geben - auf dass Bürger des Bezirks sensibel werden für das Thema, auf Anregungen kommen und diese Weiterleiten, wo was getan werden sollte. Denn: "Viele Barrieren kennen wir gar nicht", sagte Brennecke.
Während Barbara Sander das achtköpfige Interesse noch okay fand - "immerhin sind sie an einem sonnigen Sonntagvormittag gekommen, da hat man gern auch mal etwas anderes vor" - hätte sich Beate Lütkenhaus mehr Interessenten gewünscht - aber: "Wer da war, war auch sehr motiviert und hat das Gespräch nach vorne gebracht." Sie formulierte das Ziel des Informationsfrühschoppens: "Ziel ist es, dass wir in Heessen aufeinander achten und uns fragen: Können sich alle gleichermaßen willkommen fühlen?"
Und Elmar Marx, Chef der Caritas, blätterte zweieinhalb Jahre zurück: Mitte 2016, als er die Fördermittel beantragt habe, sei ihm noch nicht wirklich klar gewesen, wie ein solches Projekt umgesetzt werden könnte. Jetzt sagt er: "Ich finde toll, was da passiert."
Wer sein Angebot barrierefreier gestalten will, kann das Siegel kostenlos erwerben. Dazu muss er eine Bewerbung einreichen, bekommt Besuch von einer dreiköpfigen Kommission aus Vertretern der Aktion "Heessen für alle", wird informiert und auf eventuelle Fördermittel beraten - und erhält das Gütesiegel anschließend öffentlich verliehen.
Dass in der Tat noch viel zu tun ist, wurde bei den Impulsvorträgen deutlich. So berichtete Tanja Pfütze vom Sozialwerk St. Georg über die inneren Hürden, die Menschen mit psychischer Behinderung zuweilen nehmen müssen, wenn sie sich an dem gesellschaftlichen Leben beteiligen wollen - Angst vor Alleinsein, Angst vor einer Panikattacke, Angst vor dem Nichtverstanden werden. Pfütze hatte Tipps: "Wenn jemand mit psychischer Behinderung zusammenhanglos auf Sie einredet, stellen Sie eine konkrete und gezielte Frage - das hilft."
Ulrike Meisohle schilderte als Betroffene verschiedene Barrieren. Die Rollstuhlfahrerin beschrieb, dass sie durch den Umzug in ein Haus mit Aufzug viel Mobilität und Lebensfreude gewonnen habe, und dass sie das Besteigen eines Busses noch immer als Hindernis ansieht. Aus der Runde wurde sie auf Mobilitätskurse der Stadtwerke hingewiesen. Aber Meisohle konnte noch von mehr Barrieren berichten. Hoch in Regalen liegende Ware - oder eben die, die ganz unten liegt. Und: Kühltruhen sind Barrieren. Schließlich berichtete sie von einem Arztbesuch, bei dem sie eine Begleitperson zum Schieben des Rollstuhls an ihrer Seite hatte: Der Arzt habe zunächst nur die Begleitperson angesprochen. "Barrieren beginnen im Kopf", sagt Barbara Sander dazu.
Im Zusammenhang mit einfacher Sprache stand auch das Wort Informationsfrühschoppen im Fokus: Wer Deutsch nicht als Muttersprache kenne, so stellte es sich im Gespräch mit der gebürtigen Finnin Britta Sjöström-Proske, heraus, neigt schnell dazu, den Wortteil "Schoppen" ohne "c" zu schreiben -dabei haben die Geschäfte doch am Sonntag geschlossen.
Die Aktion "Heessen für alle"...
...bedeutet: Läden, Restaurants, Freizeitangebote, Informationen, Dienstleistungen und Veranstaltungen sollten so gestaltet sein, dass sie von allen genutzt werden können.
Dazu beitragen können z.B. Rampen, Sitzgelegenheiten, Klingeln, Informationsvermittlung mit
mehreren Sinnen oder eine groß gedruckte, kontrastreiche bebilderte Speisekarte. Über Formulare
in leichter Sprache freuen sich nicht nur Menschen mit Lernschwierigkeiten.
Hier ist jeder einzelne gefragt: Was trägt dazu bei, dass ihr Angebot alle erreicht? Barrierefreiheit
ist nicht zwingend mit hohen Kosten verbunden. Das Gütesiegel "Heessen für alle" zeichnet Einrichtungen, Geschäfte, Praxen, Vereine, Religionsgemeinschaften oder Anbieter von Dienstleistungen aus, die sich dafür einsetzen, ihre Angebote für alle zugänglich zu gestalten. Sie erhalten das Siegel, um auf einem Schild im Schaufenster bzw. Eingang, auf ihrer Website oder Flyer zu
zeigen, dass jeder willkommen ist. Bewerbungen um das Siegel und weitere Informationen bei Beate Lütkenhaus, Stadtteilbüro Heessen, Telefon 02381/ 944006 oder E-Mail luetkenhaus@caritas-hamm.de oder bei Barbara Sander, Heessener Werbegemeinschaft, Telefon 02381/ 32023 oder E-Mail barbara.sander@sunreisebuero.de. (WA Girkens)