Ein altes Sprichwort lautet: Vorbeugen ist besser als heilen. Wo immer von Prävention die Rede ist, begegnet mir ein zustimmendes Nicken. Alle betonen sofort deren Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit. Bei der Finanzierung von Prävention sieht es jedoch leider ganz anders aus - vielleicht deshalb, weil die Effekte nicht unmittelbar greifbar sind. Doch das kurzfristige Denken führt mittel- und langfristig zu vermeidbaren hohen Folgekosten. Menschen, die ihre Wohnung verlieren, müssen untergebracht werden. Teilweise in viel zu teuren und qualitativ nicht selten schlechten ASOG-Unterbringungen. Bei Familien hat das besonders gravierende Folgen. Neben den Unterkunftskosten erzeugt das hohe soziale Folgekosten - denn wie sehen die Perspektiven für Kinder aus, die von der Wohnungslosigkeit ihrer Eltern mitbetroffen sind? Welche gravierenden Auswirkungen auf die Zukunft der jungen Menschen hat eine solche prekäre Lebenslage? Der Erhalt der bestehenden Wohnung ist also unter allen Umständen anzustreben. Auch aus ökonomischer Vernunft heraus sollten deshalb alle Register gezogen werden, um bestehenden Wohnraum zu sichern. Was ist dazu nötig? Menschen müssen aufgesucht werden, bevor sie ihre Wohnung verlieren. Zum Beispiel durch die aufsuchende Arbeit der Sozialen Wohnhilfe oder im Rahmen von Kooperationen mit sozialen Trägern. Auch Mietersozialdienste können eine gewichtige Rolle spielen.
Wann werden endlich gesetzliche Regelungen geschaffen, die die Datenschutzfrage so regeln, dass bereits bei Mietschulden schnell gehandelt werden kann, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist, sprich: Fristen verfallen sind? Wenn bei fristloser Kündigung wegen Mietschulden diese durch das Jobcenter übernommen werden, muss der Gesetzgeber gleichzeitig sicherstellen, dass damit die Wohnung auch wirklich erhalten bleibt und der Vermieter nicht einfach noch eine fristgerechte Kündigung nachschieben kann. Dies sind brennende Fragen an die Bundespolitik. Wenn selbst an diesen - durchaus überschaubaren - Stellschrauben nichts verändert wird, sieht es um die Glaubhaftigkeit der Umsetzung präventiver Maßnahmen und Nationaler Aktionspläne düster aus. Aber auch auf Landesebene sehen wir noch viel Luft, wenn es um Prävention geht.
Ein wirkliches Erfolgsmodell stellen dabei die Persönlichen Hilfen zur Überwindung von Wohnungslosigkeit - kurz die sogenannten 67er-Hilfen (benannt nach dem gleichnamigen Paragrafen aus dem Sozialgesetzbuch XII) - dar. Diese dienen unter anderem auch der Vermeidung von Wohnungsverlust. Sie können Zwangsräumungen verhindern helfen und dienen außerdem dazu, Menschen, die eine Wohnung gefunden, zu begleiten, damit sie sie nicht gleich wieder ihre Wohnung verlieren, sobald sich die ersten Probleme einstellen. Die Investitionen in 67er-Hilfen sind also gut angelegtes Geld. Nach einer Auswertung der Qualitätsgemeinschaft Soziale Dienste und der LIGA Berlin wurde festgestellt, dass die 67er-Hilfen im Land Berlin pro Jahr 3.000 Menschen zu Wohnraum mit eigenem Mietvertrag verhelfen. Darunter sind auch 1.000 Wohnungen, die erhalten werden konnten.
Unverständlich ist, dass solch wirksame Hilfen einem finanziellen Mechanismus (Planmengenverfahren) unterworfen sind, der die Bezirke animiert, an diesen zu sparen. Warum werden - trotz wachsender Wohnungslosigkeit - von Jahr zu Jahr weniger 67er-Maßnahmen von den Bezirken bewilligt? Warum gibt es noch immer keinen Leistungstyp für die Arbeit mit wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Familien? Dies wird seit Jahren von allen Seiten als notwendig erachtet, weil das bisherige Hilfesystem auf diese komplexen Bedarfe nicht ausgerichtet ist.
Wer an der falschen Stelle spart, wird künftig ein Vielfaches aufwenden müssen, um die Folgen von Wohnungslosigkeit zu bezahlen und das friedvolle Zusammenleben in unserer Stadt nicht zu gefährden. Es ist verantwortungslos, an der Zukunft und der Chancengleichheit von Kindern und deren Familien zu sparen. Kürzungen in der Wohnungslosenhilfe, bei den Unabhängigen Sozialberatungen, den Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen oder auch den Suchtberatungsstellen bedeuten immer auch Kürzungen ihrer präventiven Funktionen. Sie führen zu hohen gesellschaftlichen Folgekosten - wie unsinnig. Soziale Hilfen tragen dazu bei, die gesellschaftliche Spaltung zu verhindern. Heilen ist teurer als Vorbeugen.