"Ich beginne nun die Reise, die mich zum Sonnenuntergang meines Lebens führt." Diese Reise, die zehn Jahre dauern sollte, begann im November 1994. Damals war es ein Tabubruch, sich zur Erkrankung Alzheimer zu bekennen, wie es der frühere US-Präsident Ronald Reagan, unterstützt von seiner Frau Nancy, tat. Keine zwei Monate vorher, am 21. September 1994, wurde erstmals der Welt-Alzheimer-Tag ausgerufen. Vieles ist seitdem geschehen. Bei der Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung in Deutschland im Jahr 1995 spielte Alzheimer nur eine untergeordnete Rolle. Erst 2013 wurden die Versicherungsleistungen deutlich verbessert, insbesondere mit dem neuen Verständnis von Pflegebedürftigkeit. Das Jahr 2017 markiert einen Meilenstein. Heute spielt es eine entscheidende Rolle, welche psychischen und kognitiven Einschränkungen, also Probleme beim Wahrnehmen, Lernen, Erinnern und Denken, vorliegen. Probleme? Welche Probleme? Wer hat ein Problem? Im Umgang mit Alzheimer-Betroffenen ist es am wichtigsten anzuerkennen, dass die betroffene Person selbst oft gar kein Problem mit ihrem Zustand hätte. Das Problem entsteht, weil sie mit Unverständnis, Kritik und nicht beantwortbaren Fragen konfrontiert wird. Stattdessen sollte sie in ihrer Welt an die Hand genommen werden. Oft spielt die Freiheit bei Alzheimer, beispielsweise sich frei zu bewegen, eine entscheidende Rolle. Bei einer Heimbewohnerin, die zunächst medikamentös ruhig gestellt ins Altenheim kam und dort aber ihre Freiheit zurückgewann, wurden an einem Tag 43 Kilometer Gehleistung gemessen. Respekt den Kolleginnen und Kollegen in den Pflegeeinrichtungen, die ein solches Leben ermöglichen! Sie haben nicht nur Lob für ihre anspruchsvolle und wichtige Aufgabe verdient, sondern auch finanzielle Anerkennung. Bei tarifgebundenen Trägern wie der Caritas ist eines klar: Hier verdienen sie als Pflegefachkraft nach dreijähriger Ausbildung mehr als woanders, auch mehr als im Mechatroniker-Beruf, der als gut bezahlt gilt und gesellschaftlich zurecht hoch geachtet wird. Während der Mechatroniker in Bayern im Schnitt 2846 Euro brutto im Monat verdient, kommt eine Fachkraft in der Altenpflege schon als Berufsanfänger/in auf durchschnittlich 2962 Euro. Nach 15 Berufsjahren verdient die examinierte Altenpflegerin knapp 3700 Euro. Auch die Ausbildungsvergütung ist in der Altenpflege besser als beim Mechatroniker. Der Pflege-Azubi kommt bei der Caritas auf gut 1100 Euro im Monat, etwa hundert 100 Euro mehr als der Mechatroniker. Nebenbei bemerkt: Frauen und Männer verdienen in der Pflege gleich. Zum Welt-Alzheimer-Tag sei mit dem Missverständnis aufgeräumt, dass in der Pflege kein Geld zu verdienen sei. Und mit dem Missverständnis, dass mit Alzheimer die Lebensqualität verloren gehe. Allerdings braucht es für eine gute Versorgung der jetzt schon über eine Million Deutschen mit Alzheimer – Tendenz steigend – fachlich, sprachlich und persönlich qualifizierte Pflegekräfte. Davon kenne ich schon viele. Es gibt aber noch zu wenige für den künftigen Bedarf. Traurig ist, dass sich viele Angehörige mit dem Phänomen Alzheimer allein gelassen fühlen. Wenn sie ein gutes Alten- und Pflegeheim wählen, müssen sie oft monatlich selber 2000 Euro zuzahlen – doppelt so viel wie die durchschnittliche Rente. Das sollten die Verantwortlichen in der Politik wissen und auch nach dem Welt-Alzheimertag nicht vergessen.
Dr. Robert Seitz
Abteilungsleiter Soziale Einrichtungen
Caritasverband für die Diözese Regensburg e.V.