BU 01: Mitarbeiterinnen im Team der Migrationsberatung für erwachsende Zugewan-derte (MBE) bei der Caritas Regensburg (v.li.): Marta Pelties, Rosy Lucia Magallanes Medina, Referatsleiterin Nika Krausnick, Elisabeth Stärk. (Foto: Susanne Schophoff / Caritas Regensburg)
Regensburg/Berlin. Vor 20 Jahren trat das deutsche Zuwanderungsgesetz in Kraft - damit wurde bundesweit auch die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE) geschaffen. In Regensburg setzt die Caritas das Bundesprogramm um und ist einer von mehr als 1200 Standorten in Deutschland. Rund 20.000 Menschen in etwa 100.000 Beratungsgesprächen hat die MBE in Regensburg seit 2005 unterstützt.
"Migrationsberatung stärkt Integration. Wir unterstützen Menschen dabei, in unserer Gesellschaft ihren Platz zu finden", sagt Nika Krausnick, Leiterin des Referats Migration und Integration der Caritas Regensburg. Das Angebot richtet sich an Zugewanderte mit Aufenthaltserlaubnis, EU-Bürgerinnen und EU-Bürger sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler.
Zentrale Anlaufstelle für komplexe Lebenslagen
Die MBE hat ihre Räume im Caritas Beratungszentrum St. Gabriel. Dort erhalten Ratsuchende Unterstützung bei Fragen rund um Aufenthalt, Sprache, Arbeit, Bildung und soziale Teilhabe. Die Anliegen betreffen das Beantragen von staatlichen Unterstützungsleistungen, die Job- oder Wohnungssuche sowie in vielen Fällen den Familiennachzug. "Mehr als die Hälfte unserer Beratungsfälle hat damit zu tun", berichtet die Sozialpädagogin Marta Pelties, die seit über zehn Jahren in der MBE arbeitet (siehe Interview).
Bundesweite Evaluation bestätigt Wirksamkeit
Anlässlich des 20-jährigen Bestehens hat das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) eine bundesweite Studie vorgelegt. Die Ergebnisse unterstreichen die Wirkung der MBE: 71 Prozent der Befragten fühlen sich durch die Beratung in Deutschland willkommen. 72 Prozent gaben an, dass sie durch die MBE im Alltag besser zurechtkommen. 62 Prozent berichten von einer gesteigerten Lebenszufriedenheit.
Wachsende Nachfrage, begrenzte Ressourcen
Die personellen und finanziellen Ressourcen der MBE sind insgesamt gestiegen - von 26,3 Millionen Euro im Jahr 2014 auf 77,5 Millionen Euro im Jahr 2024. Noch immer aber sei der Bedarf wesentlich höher als das, was gefördert werden kann, sagt die Referatsleiterin Nika Krausnick. Hinzukommt, dass das Programm, obwohl es seit zwei Jahrzehnten erfolgreich läuft, weiterhin nur projektweise finanziert wird. Krausnick: "Das heißt, dass wir jährlich neu um Budgets und Stellen verhandeln müssen."
Beratung zwischen Bürokratie und Digitalisierung
Die Caritasmitarbeitenden erleben, dass viele Ratsuchende mit den komplexen Verwaltungsprozessen überfordert sind. Fehlende Übersetzungen, digitale Hürden und unübersichtliche Zuständigkeiten kämen erschwerend hinzu. "Gerade in den ersten Jahren nach der Einreise brauchen Menschen verlässliche Begleitung, um in den Systemen überhaupt zurechtzukommen", sagt die Beraterin Marta Pelties.
Ausblick
Die Evaluation des DeZIM-Instituts zeigt, dass die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte eine der erfolgreichsten integrationspolitischen Maßnahmen ist. Sie vernetzt staatliche und zivilgesellschaftliche Strukturen und verbessert nachweislich die Lebenssituation vieler Zugewanderter. Um den steigenden Bedarf zu decken und die Qualität zu sichern, sind weitere Investitionen und strukturelle Verbesserungen notwendig, heißt es in der Studie. "Unsere Arbeit ist Voraussetzung für gesellschaftlichen Zusammenhalt", betont Krausnick. "Integration funktioniert nur, wenn Menschen Orientierung, Unterstützung und Perspektiven erhalten."
INTERVIEW
"Mit Familie gelingt das Ankommen besser"
Drei Fragen an Marta Pelties, Migrationsberaterin für erwachsene Zugewanderte (MBE) bei der Caritas Regensburg
Sie sind seit zehn Jahren bei der MBE. Wie hat sich Ihre Arbeit in dieser Zeit entwickelt?
Marta Pelties: Zwischen 2015 und 2020 hatten wir einen sehr hohen Andrang, die Zahl der Klientinnen und Klienten stieg enorm. Wir arbeiteten wie die Feuerwehr, waren ständig damit beschäftigt, Brände zu löschen. Mit Corona änderte sich unsere Arbeitspraxis. Wir boten keine offene Sprechstunde mehr an, sondern berieten online und nach den Lockdowns nur zu vereinbarten Einzelterminen. Der Zugang zu Behörden und Dokumenten war in dieser Zeit für unsere Klientinnen und Klienten besonders schwierig. Wir versuchten das aufzufangen und halfen beim Organisieren von Anträgen und beim Ausfüllen der Formulare. Das bestimmte unseren Alltag und ist bis heute ein wesentlicher Teil unserer Arbeit geblieben, obwohl es nicht unser Aufgabengebiet ist.
Mit welchen Themen kommen Ratsuchende außerdem in die MBE?
Marta Pelties: Bei mehr als der Hälfte unserer Fälle spielt der Familiennachzug eine Rolle. Der Familiennachzug ist für anerkannte Flüchtlinge ein Rechtsanspruch. Die Verfahren sind langwierig, kompliziert und für die Betroffenen emotional oft sehr belastend. Besonders schwierig ist das Beschaffen gültiger Dokumente - etwa für Menschen aus Eritrea. Hinzu kommen geschlossene deutsche Botschaften wie beispielsweise in Syrien und lange Wartezeiten bei den Vertretungen in Beirut, Ankara oder Istanbul. Viele warten ein, zwei oder drei Jahre auf gültige Visen. Das auszuhalten ist für die Menschen schwer. Die jahrelange Trennung führt nicht nur zu Frustration, sondern auch zu psychischen Belastungen und Spannungenbei den Betroffenen.
Im Juli 2025 wurde der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt. Für die Betroffenen war das ein harter Einschnitt. Verfahren, die bereits liefen, wurden eingefroren. Wir mussten viele Fragen klären und uns auch erstmal selbst in die neue Rechtslage einlesen. Wir haben uns über Newsletter informiert und mit Fachrechtsanwälten dazu ausgetauscht. Manche unserer Klientinnen und Klienten hoffen nun, dass sie als Härtefall gelten könnten. In der Praxis kommen diese aber kaum zur Geltung.
Warum spielt das Thema Familiennachzug in der Beratung eine so große Rolle?
Marta Pelties: Die Familien leben in den Herkunftsländern oft unter katastrophalen Bedingungen. Die Sorge um die Familie und die Ungewissheit, ob ein Nachzug möglich ist, beschäftigt unsere Ratsuchenden natürlich. Da fällt es umso schwerer, sich auf das Ankommen in Deutschland zu konzentrieren, die Sprache zu lernen oder einen Job zu finden. Wenn die Familien nachgezogen sind, kommen die Klienten nur noch selten in die Beratung. Das werten wir als Zeichen dafür, dass das Ankommen besser gelingt, wenn die Familie da ist.