Zusammenwachsen geht nur zusammen
In Deutschland leben derzeit über 84.000.000 Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Lebenserfahrungen. Zu dieser Vielfalt tragen knapp 29 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund bei. Sie sind nach 1948 eingewandert oder haben Eltern, auf die das zutrifft. Seit einigen Jahren wächst Deutschlands Bevölkerung wieder - ausschließlich durch Einwanderung.
Ein Gefühl von Zusammengehörigkeit zu entwickeln ist in einer durch Vielfalt geprägten Gesellschaft nicht immer einfach. Eingewanderte werden immer mal wieder aufgefordert, sich anzupassen. Es gibt allerdings keine Übereinkunft darüber, an welches Bild diese Anpassung erfolgen soll.
Ein gutes Zusammenleben erfordert die Bereitschaft aller, einander mit Respekt und Achtung zu begegnen, Gemeinsamkeiten zu erkennen und mit Konflikten konstruktiv umzugehen. Um sich heimisch zu fühlen, benötigen Menschen das Gefühl, zur Gemeinschaft dazuzugehören und in ihr anerkannt zu sein. Ein bestimmtes Wissen über die geltenden, alltäglichen Regeln und (Verhaltens-) Normen ist nötig, das Sicherheit und Vertrauen ermöglicht. Drittens bewirkt die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen und an der Gesellschaft zu partizipieren, Identifikation.
Für ausländische Staatsangehörige sind Teilhabe und Beheimatung auch von den gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängig. Für EU-Bürger_innen gelten andere Regeln als für Menschen aus anderen Staaten. Für Bildungs- und Arbeitsmigrant_innen gelten andere Regeln und Einschränkungen als für Geflüchtete. Sie alle stehen vor der Herausforderung sich gesellschaftlich und rechtlich zurechtfinden, die deutsche Sprache zu erlernen, eine Arbeit und eine Wohnung zu finden.
Die Aspekte Arbeit, Sprache und benötigte Mittel sowie ihre Kürzung, die besonders in der Diskussion sind, beleuchten wir im Folgenden kurz. Ein umfassenderes Bild von Integration in den verschiedenen Lebensbereichen und der Notwendigkeiten aus Sicht des Deutschen Caritasverbandes.
Arbeit als Integrationsfaktor
Der Zugang zum Erwerbsleben bestimmt den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Status eines Menschen entscheidend mit. Damit einher geht die Teilhabe an anderen Lebensbereichen, wie z.B. Sport oder Kultur. Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Schnitt stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Das liegt teilweise an der individuellen Qualifikation und teilweise an ausländerrechtlichen Hürden. Hinzu kommen je nach Status eingeschränkte fehlende interkulturelle Kompetenz in der Arbeitsverwaltung sowie Vorurteile und ausgrenzende Mechanismen.
Bei Personen, die als Arbeitskräfte eingereist sind, wurde meist schon im Vorfeld geprüft, welche Qualifikationen sie haben. Bei Geflüchteten ist das erst nach der Einreise möglich. Daher und wegen unzureichender Deutschkenntnisse verzögert sich die Aufnahme einer adäquaten Tätigkeit. Außerdem ist es für eingewanderte Frauen schwieriger, eine Kinderbetreuung zu finden, als für anderen Personen mit Kindern. Das gehört zu den Gründen, warum die im Durchschnitt gut ausgebildeten Ukrainevertriebenen erst nach und nach im Arbeitsmarkt ankommen. Neuere Bemühungen der Arbeitsverwaltung (Job-Turbo) gerade die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu verbessern, werden nur Wirkung zeigen können, wenn die Rahmenbedingungen passen und Vorbehalte bei Arbeitgeber_innen abgebaut werden können.
Sprache als ein Schlüssel zur Integration
Deutschkenntnisse sind ein wichtiger Integrationsfaktor. Sie ermöglichen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Investitionen in berufsbegleitende Sprachförderung und Integrationskurse müssen erhöht werden. Nach wie vor fehlt es vielerorts an Plätzen.
Die Integration von neu eingewanderten Kindern und Jugendlichen ins Schulsystem gelingt nur bedingt, wie z.B. die Pisa-Studien zeigen, und muss dringend verbessert werden. Eingewanderte verlassen die Schule überproportional oft ohne Abschluss, auch weil eine begleitende kontinuierliche Deutschförderung nicht stattfindet. Ein Sachverhalt, der dringend verbessert werden muss.
Außerdem dürfen Defizite in der Schulpolitik der vergangenen Jahre, wie Lehrermangel und marode Gebäude, nicht auf eingewanderte Kinder abgewälzt werden. Es muss vielmehr das Recht auf Bildung von Anfang an verwirklicht werden und auch Kindern im Asylverfahren der volle Zugang zur Regelschule offenstehen.
Quellen:
- PISA-Studie: Die wichtigsten Ergebnisse und Reaktionen (deutsches-schulportal.de)
- Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss seit zehn Jahren auf hohem Niveau (bertelsmann-stiftung.de)
- Ungleiche Bildungschancen (aktualisierte Fassung) - Sachverständigenrat für Integration und Migration gGmbH (svr-migration.de)
Drastische Kürzungen statt benötigtem Ausbau
Tatsächlich kürzt die Bundesregierung die Mittel für Hilfen bei der Suche nach Sprachkursen, Kitaplatz, Job und Wohnung. Es geht um Einsparungen bei Beratungsstellen für erwachsene Einwanderer (MBE), psychosoziale Zentren und der Asylverfahrensberatung.
Kürzungen beim Ehrenamt und den Bundesfreiwilligendiensten verschärfen die Situation, da beides in der Integrationsarbeit weit verbreitet und wichtig ist.
Strukturen wie Migrations-, Asylverfahrens- und psychosoziale Beratung brauchen dringend eine bedarfsgerechte Ausstattung. Viele der 2,7 Millionen Menschen, die im Kriegsjahr 2022 eingewandert sind, brauchen ebenso Orientierung und Unterstützung wie Fach- und andere Arbeitskräfte sowie deren Familienangehörige, um gut in Deutschland anzukommen. Die weitreichenden Folgekosten der Einsparungen für die Sozialsysteme und den gesellschaftlichen Frieden kann sich Deutschland nicht leisten.
Quellen: