Kiel - Angesichts wachsender gesellschaftlicher Herausforderungen - vom Fachkräftemangel über wachsende Armut bis hin zu steigenden psychischen Belastungen - gewinnt die Arbeit für Familien zunehmend an Bedeutung. Die Systeme sind überlastet, die Hilfs- und Unterstützungsbedarfe groß. Wohin können sich Familien niedrigschwellig und wohnortnah wenden? Wo finden sie Unterstützung?
Familienzentren leisten bereits heute einen unverzichtbaren Beitrag zur sozialen Infrastruktur in Schleswig-Holstein. Landesweit gibt es derzeit rund 150 Familienzentren. Sie begleiten Familien frühzeitig, unterstützen Übergänge zwischen Kita, Schule und Freizeit und stärken damit das Gemeinwohl spürbar. Angesichts vielfältiger familiärer Bedarfe - von verlässlicher Beratung über alltagspraktische Unterstützung bis hin zur Orientierung in belastenden Lebenssituationen - bieten Familienzentren niedrigschwellige und vertrauensvolle Anlaufstellen für Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen.
Als Orte der Vernetzung schaffen sie wertvolle und tragfähige Sozialraumstrukturen. Sie erreichen dabei insbesondere Familien mit kleinen Kindern, Alleinerziehende, Familien mit Migrationsgeschichte sowie Familien in herausfordernden sozialen Lagen. Zugleich arbeiten Familienzentren eng mit Kitas, Schulen, Beratungsstellen, Gesundheitsdiensten, Ehrenamtlichen, kommunalen Akteuren und weiteren sozialen Trägern zusammen und stärken damit ein Netzwerk, das Familien nachhaltig trägt. Besonders hervorzuheben ist die Vielfalt der Schwerpunktthemen: Familienzentren sorgen für Chancengleichheit, sie unterstützen die Familien vor Ort, initiieren frühe Förderung, arbeiten sozialraumorientiert, niedrigschwellig, bedarfsgerecht und unbürokratisch.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der präventiven Ausrichtung. Familienzentren unterstützen frühzeitig, bevor Belastungen sich verfestigen oder zu Krisen führen. Sie sind ein zentrales Glied in der Präventionskette und tragen dazu bei, Risiken für Kinder, Eltern und ganze Familien nachhaltig zu reduzieren. Prävention ist dabei nicht nur sozial sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich. Studien zeigen, dass jeder früh investierte Euro hohe Folgekosten im Bereich Bildung, Gesundheit und Jugendhilfe vermeiden kann - ein klarer Return on Invest für das Gemeinwesen.
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, landesweit darüber in den Dialog zu treten, wie die Strukturen der Familienzentren langfristig gesichert und gezielt weiterentwickelt werden können. Die Koordinatorin des Fachausschusses Kita der LAG, Anette Langner, unterstreicht: "Wir setzen uns daher weiterhin dafür ein, den Stellenwert der Familienzentren im Landeshaushalt und der familienpolitischen Konzepte deutlich zu stärken und eine solide Basis für sozialraumorientierte Arbeit in Schleswig-Holstein zu schaffen."
"Dabei ist es besonders wichtig, die laufenden Abstimmungsprozesse konstruktiv zu begleiten und gemeinsam tragfähige Lösungen zu entwickeln. Familienzentren sind der Kitt der Gesellschaft. Sie verbinden Menschen, die sich ohne diese Einrichtungen vielleicht nie begegnen würden. Umso wichtiger ist es, die Familienzentren zu stärken und noch besser zu vernetzen. Dieser gemeinsame Fachtag von Land und freier Wohlfahrt bietet dafür eine hervorragende Gelegenheit", so Sozialstaatssekretär Johannes Albig.
Der Fachtag ist prominent besetzt: Unter den rund 200 Teilnehmenden befinden sich etwa 150 Fachkräfte - darunter Koordinatorinnen/Koordinatoren, pädagogische Fachkräfte, Kita-Leitungen, Fachberatungen und Mitarbeitende aus Fachdiensten. Ergänzt wird die Teilnehmerschaft durch Vertreterungen aus Kommunalpolitik, Stadt- und Kreisvertretungen, Stadtverwaltungen, Jugendämtern, Netzwerkkoordinationen sowie Elternvertretungen.
Aktuell werden Familienzentren vor allem so gefördert, dass ihre Personalstellen abgebildet werden können. Um eine langfristig auskömmliche Finanzierung sicherzustellen, müssen diese Personalkosten künftig dynamisiert und an steigende Tariferhöhungen im TVöD angepasst werden. Bleiben die Mittel weiterhin unverändert, stehen den Einrichtungen bei wachsenden Tarifkosten zunehmend weniger Personalstunden zur Verfügung - und damit weniger Zeit für Familien. Eine dynamisierte Finanzierung ist daher zwingend notwendig, um Qualität, Verlässlichkeit und Wirksamkeit der Familienzentren dauerhaft zu sichern.
Zugleich fordert die Freie Wohlfahrtspflege Schleswig-Holstein die Landespolitik dazu auf, freiwerdende Mittel auch in bereits bestehende Strukturen - wie Familienzentren und Sozialarbeit in Kitas - zu investieren. Dies würde eine gezielte Anerkennung des Mehrwerts von Familienzentren in der Präventionslandschaft bedeuten. Zudem müsse der Stundenumfang der Koordinierungsstellen ausgebaut und finanziell hinterlegt werden, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden.
Der Fachtag dient als Auftakt weiterführender Aktionsprogramme, die direkt in den Familienzentren vor Ort umgesetzt werden. Ziel ist es, dort mit Fachkräften, Ehrenamtlichen, Eltern, Kindern und Politik in den Austausch zu treten und die politische, fachliche sowie gesellschaftliche Bedeutung der Familienzentren sichtbarer zu machen. Ein zentrales Ziel ist es, die landesweite Vernetzung, den Austausch und die professionelle Weiterentwicklung der Familienzentren nachhaltig zu fördern. Gemeinsam sollen innovative Ansätze, bewährte Praktiken und neue Impulse entwickelt werden - zur qualitativen Stärkung und strukturellen Verankerung der Familienzentren in Schleswig-Holstein.
Für Anfang 2026 ist eine digitale Veranstaltungsreihe via Zoom geplant, die zentrale Fragestellungen zur Rolle der Familienzentren in der kommunalen Präventionskette thematisiert. Ziel ist es, Synergien zu identifizieren, den fachlichen Dialog auf kommunaler Ebene zu stärken und praxisnahe Lösungsansätze für eine zukunftssichere Familienarbeit zu entwickeln.