„Ganz außergewöhnliche Sache“
"Ihr habt aber ein tolles Boot!" Solche Zurufe von Passanten auf Brücken oder am Ufer kommen zurzeit häufiger vor. Der Grund: Die "Lioba cara" ist auf der Weser unterwegs. Wenn die Jugendlichen an Bord so etwas hören, sind sie vor allem eins: stolz wie Oskar!
Rückblende: Im März 2016 verwandelte sich der Vorgarten des IN VIA St. Lioba Berufsförderzentrums in Paderborn in eine Mini-Schiffswerft. Nachdem eine Firma aus Neubrandenburg die Schwimmkörper als Unterbau des Bootes geliefert hatte, begann das bis dahin ehrgeizigste Projekt in St. Lioba. Ein 12,5 Meter langes und 4,5 Meter breites Haus- und Wanderboot sollte entstehen. Insgesamt 40 Jungen und Mädchen beteiligten sich am Bau des Bootes, allesamt junge Menschen mit Handicap, die an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen mit produktionsorientiertem Ansatz teilnehmen.
Jugendliche der Berufsfelder Trockenbau, Holztechnik, Haustechnik, Lagerwirtschaft und Hauswirtschaft waren am Ausbau beteiligt. So zum Beispiel Thilo und William, die unter Anleitung von Handwerksmeister Heinrich Hansmeier das Ständerwerk mit etwa 1600 Schrauben befestigten. "Es ist absolutes Neuland für uns, aber es macht auch eine Menge Spaß", erklärt Thilo. "Das Boot ist eine ganz außergewöhnliche Sache, ich werde mein ganzes Leben daran denken", sagt William. Vom lichtdurchfluteten Wohn- und Freizeitraum über die Küche bis zum Sanitärbereich ist alles mit viel Liebe zum Detail konstruiert worden. Selbst an die Geranienkästen vor den Fenstern wurde gedacht. Professionell ist auch die Technik: Bug- und Querstrahlruder sowie ein GPS-Echolotsystem sorgen für die nötige Sicherheit beim Navigieren.
Und sie schwimmt: Die "Lioba Cara" wurde Ende Juni in Rinteln an der Weser erfolgreich zu Wasser gelassen. Vom Kreishafen der Weserstadt ging es dann direkt knapp zwei Kilometer flussabwärts zum endgültigen Liegeplatz beim Motor-Yacht-Club. Das Boot war in der Nacht zuvor per Schwertransporter nach Rinteln transportiert worden. Schon am folgenden Wochenende erlebten die Jugendlichen ihre "Lioba cara" bei einer ersten Tour auf der Weser. Die "Schiffstaufe" hatte zuvor mitten in Paderborn stattgefunden: Mitte Mai "taufte" Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig das Wander- und Hausboot "Lioba Cara". Standesgemäß ließ er eine Flasche Sekt am Rumpf des Bootes zerschellen, nachdem Diakon Alfons Neumann der "Lioba Cara" den kirchlichen Segen erteilt hatte. Rund 150 Personen verfolgten im Rahmen eines Tages der offenen Tür die Zeremonie und erlebten angesichts der gereichten Fischbrötchen die passende Waterkant-Atmosphäre.
Ludger Lamping, Leiter des Berufsförderzentrums, hat die Begeisterung der jungen Leute gespürt, aber auch das Gefühl für Solidarität, das sich während der Bauzeit entwickelte. Die gemeinsame Erfahrung, so Lamping, lasse sich in einem Satz zusammenfassen: "Wenn alle an einem Strang ziehen, kann Großes und Nachhaltiges geschaffen werden." Aufgrund der Konstruktion und Ausstattung sei ein barrierefreies, sicheres Wander- und Hausboot geschaffen worden, das im Rahmen von erlebnispädagogischen Angeboten auch von anderen Gruppen genutzt werden könne, so Lamping. Ermöglicht wurde der Bau mit finanzieller Hilfe des Diözesan-Caritasverbandes.