Engagiert im Ruhestand: Hilfe durch Nachhilfe
Wolfgang Altmann hat es anders gemacht. Er hat Kollegen erlebt, die in den Ruhestand gingen und nicht loslassen konnten. Er, vordem Verwaltungsdirektor in der Erzdiözese Freiburg, wollte das nicht, nicht in Gremien und Aufsichtsräten sitzen und über die gleichen Dinge weiterreden und -denken. "Ich wollte eine klare Zäsur, ich habe noch andere Qualitäten."
Nachhilfe und notfalls auch mit zum Amtsbesuch
Der dreifache Großvater, der 2012 in Ruhestand ging, war stets sportlich aktiv und viel mit dem Fahrrad unterwegs. Er empfindet Dankbarkeit: "Wir sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort auf die Welt gekommen. Dafür können wir nichts. Wir sind auf die Butterseite des Lebens gefallen, andere hatten diese guten Startvoraussetzungen nicht. Ich fühle den Auftrag, meine restliche Zeit zum Teil solchen Menschen zugutekommen zu lassen. Ich fühle mich jung genug dazu."
Eigentlich hat Altmann gerade wenig Zeit für ein Gespräch mit Sozialcourage; die Realschulprüfungen stehen an und er gibt 15 Stunden wöchentlich Rechenunterricht oder auch mal Deutsch: am Römerhof, der internationalen Hauptschule der Caritas Freiburg, zum Wiederholen und Vertiefen nach dem Unterricht für alle, die es brauchen oder wollen. Oder individuell und mit Nachhilfe- und Trainingscamp-Charakter im Franz-Hermann-Haus für die, die sonst keinen Schulabschluss schaffen. Geübt wird ein- bis zweimal in der Woche, ein Jahr lang. Das ist eine recht intensive Lernbeziehung. Und sie hat Erfolg. "Ein Schüler aus Gambia hat den Hauptschulabschluss geschafft, einer aus Afghanistan ist bei der Möbelfirma Vitra als Lehrling untergekommen. Wir haben zusammen Nathan der Weise gelesen."
Zu manchen hat Altmann bis heute Kontakt. Einer kam zu ihm als Analphabet und ist heute Organisator in einem Kebab-Imbiss: "Heute, zwei Jahre danach, treffen wir uns immer noch auf einen Tee." Notfalls hilft Altmann auch bei Behördensachen und Antragsbearbeitung für Krankenkasse und Arbeitsagentur.
Altmanns Schüler wissen, was Bildung wert ist
Bei ihm lernen auch Lehrabbrecher, die er als Bildungspate immer wieder motiviert - und mit ihnen die Lehrherren. Dabei hilft ein Vertrag über Bildungsbegleitung, den er mit seinen Mentees abschließt.
Wo tun sie sich besonders schwer? "Bei Textaufgaben. Manche, die meisten aus Afrika, sprechen oder verstehen Englisch. Ich spreche mit ihnen, lasse sie lesen, gehe mit ihnen in die Stadt. Ich versuche die ein Stück weiter zu bringen in ihrem Leben. Sie sind meist sehr fleißig, wahnsinnig motiviert und erkennen den Wert von Bildung. Meinen Pfingsturlaub hat einer zum Lernen genutzt, am Donnerstag kam ich von der Reise nach Hause. Am Freitag haben wir zusammen gelernt, dann habe ich zum Abschied gesagt: Dann bis nächsten Dienstag! - Da hat der erst herumgedruckst und dann gesagt: Samstag wäre noch besser. Also habe ich ihn eingeladen und zwei Stunden mit ihm gelernt."
"Niemand macht was gänzlich uneigennützig"
Was hat Altmann von seinem Engagement? "Ich habe neue Freunde dadurch kennengelernt und schönen Kontakt. Ich habe an allen Schulen freien Zugang." Er fühlt sich in einer Lebensphase, "wo man eigentlich geben kann. Wir kommen alle mal in die Situation, wo man uns mit dem Rollstuhl in den Garten schiebt und vielleicht nicht mal mehr Schach spielen geht." Manche Altersgenossen könnten nicht viermal in der Woche Unterricht geben, weil sie wegen Krankheiten Ärzte aufsuchen müssten. Dann lieber Engagement: "Ich bin froh darüber. Und niemand macht was gänzlich uneigennützig - ich bekomme ja ganz viel von den jungen Leuten."