Hilfe für Sterbende und ihre Familien
Kempen-viersen. Einen völlig neuen Weg geht der Caritasverband, um die Betreuung sterbender Menschen und ihrer Angehörigen zu verbessern: Er bildet Pflegefachkräfte zu systemischen Beratern für Schwerstkranke und deren Familien fort.
"Ich weiß, dass ich bald sterben muss", sagte die todkranke Frau zur Altenpflegerin des Caritasverbandes, "aber mein Mann spricht nicht mit mir darüber. Das quält mich." Mit solchen und ähnlichen Situationen sehen sich die Pflegefachkräfte in ihrem Berufsalltag immer wieder konfrontiert. Sie erleben, dass Patienten flehen: "Ich will nicht sterben." Oder dass Angehörige offen über Selbstmordpläne sprechen, wenn der geliebte Mensch nicht mehr da ist.
"Die Menschen wollen zu Hause sterben", weiß Beate Caelers, Bereichsleiterin beim Caritasverband für die Region Kempen-Viersen. Das sei für alle Beteiligten eine schwierige Situation. Bisher hätten die Pflegefachkräfte des Caritasverbandes die Familien kompetent zu allen Sachthemen beraten, etwa zu der Frage, wie sie Pflegehilfsmittel oder Zuschüsse erhalten. "Wir müssen uns aber auch damit beschäftigen, wie wir das häusliche Umfeld stärken und stützen können", erläutert Caelers. Ihre Kollegin Susanne Kiepke-Ziemes, die das Projekt "Würdige Sterbebegleitung" der Caritas koordiniert und selbst Familientherapeutin ist, entwickelte mit ihr die Idee zur Fortbildung. "Es ist wichtig, dass wir das gesamte System Familie in den Blick nehmen", erläutert sie. So seien die "pflegenden Angehörigen und Zugehörigen wichtige Koalitionspartner", wenn es um die optimale Betreuung von schwerstkranken Menschen gehe.
Damit betritt der regionale Caritasverband Neuland: "Es gibt bisher keine Konzepte für die systemische Beratung der betroffenen Familien", betont Kiepke-Ziemes. Gemeinsam mit dem Mediziner Dr. Wilhelm Rotthaus, langjähriger ehemaliger Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für systemische Therapie und Familientherapie (DGSF), und der Lehrtherapeutin Heike Waldhausen hat sie die Lehrpläne für die einjährige Fortbildung der Pflegefachkräfte entwickelt. In einer Basisveranstaltung stimmten die Trainer jetzt rund 25 Fachkräfte aus den Caritas-Pflegestationen, dem Ambulanten Palliativpflegerischen Dienst und den Tagespflegen auf die Weiterbildung ein.
Wie gehe ich mit der Hoffnung und der Verzweiflung des sterbenden Menschen um? Wie reagiere ich, wenn der Patient gehen möchte, seine Angehörigen jedoch immer noch eine weitere Chemotherapie für ihn wollen, weil sie nicht loslassen können? Wie kläre ich, welche Lösungen sich der Patient gewünscht hätte, wenn er sich selbst nicht mehr äußern kann? Und wie aktiviere ich Ressourcen in der Familie, in der Nachbarschaft oder bei finanziellen Problemen? Mit all diesen Themen (und noch mit vielen weiteren) werden sich die Pflegefachkräfte in den nächsten Monaten auseinander setzen. Die neue Fortbildung steht auch Teilnehmern offen, die nicht beim regionalen Caritasverband beschäftigt sind (Informationen bei Susanne Kiepke-Ziemes, Tel. 02162 93893592).
"Ein weiteres Thema wird die Selbstfürsorge der Fachkräfte sein", kündigt Susanne Kiepke-Ziemes an. Die Pflege sterbender Menschen kann auch für professionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter äußerst belastend sein. "Manche Schicksale gehen mir sehr nahe", sagte eine Altenpflegerin während der Basisveranstaltung, "besonders wenn es sich um jüngere Menschen handelt oder die Patienten noch heranwachsende Kinder haben."
Info: Seit Herbst 2006 arbeitet der Caritasverband für die Region Kempen-Viersen dafür, die Begleitung sterbender Menschen in seinen ambulanten und stationären Einrichtungen zu verbessern. Aus dem Projekt "Würdige Sterbebegleitung" ging unter anderem der Ambulante Palliativpflegerische Dienst des Caritasverbandes hervor. Finanziert wird das Projekt von der Nettetaler Stiftung zur Unterstützung von Jugend und Alter.