Deutschland verfügt über ein Gesundheitswesen, das solidarisch ausgerichtet ist und eine hohe Qualität hat. In unserem Land stehen grundsätzlich jedem gesetzlich Versicherten die gleichen Leistungen zu, unabhängig davon, welchen Beitrag er oder sie in die Krankenversicherung einbezahlt hat. Vom Grundsatz her hängt der Zugang zu den und die Verteilung der Ressourcen nicht vom Alter, dem Einkommen, der sozialen Schicht, der Herkunft, dem Bildungsstand oder den Sprachkenntnissen ab. Es ist allgemeiner Konsens, dass gesundheitliche Chancengleichheit ein Menschenrecht ist und zugleich eine zentrale Voraussetzung für die Einlösung des Rechts auf selbstbestimmte Teilhabe in unserer Gesellschaft.
Gesundheitliche Chancengleichheit stellt sich aber nicht von selbst ein. Dieses Ziel muss immer wieder neu in die Debatte gebracht und politisch eingefordert werden. Denn viele einschlägige Befunde belegen, dass der gesundheitliche Zustand und die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen sehr stark vom sozialen Status der Betroffenen abhängen.
Der Deutsche Caritasverband nimmt deshalb mit seiner Kampagne 2012 "Armut macht krank - Jeder verdient Gesundheit", die gesundheitliche Situation von vulnerablen, sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen in Deutschland besonders in den Fokus. Es gibt zahlreiche wissenschaftlichen Untersuchungen, die den Zusammenhang von Armut und Krankheit belegen. Besonders aufrüttelnd sind Befunde, die besagen: Arme Menschen sind kränker und sterben früher. Die praktischen Erfahrungen der Caritas in den verschiedenen sozialen Handlungsfeldern decken sich mit diesen Befunden: Wo es an Einkommen, Perspektiven und Bildung fehlt, ist Krankheit ein häufiger Begleiter.
Der Deutsche Caritasverband macht auf gesundheitliche Benachteiligungen aufmerksam, beleuchtet deren Ursachen und unterbreitet Lösungsvorschläge. Der Überwindung verfestigter Armut ist nach Auffassung des Deutschen Caritasverbandes dabei eine der wichtigsten Voraussetzungen zur Förderung von Gesundheit und zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit. Das Engagement des Verbandes geht aber über dieses Anliegen hinaus und greift weiter.
Als Anwalt, Dienstleister und Solidaritätsstifter vertritt der Deutsche Caritasverband das Konzept der "Sozialen Gesundheit". Gesundheit und Krankheit sind demnach nicht ausschließlich auf das Individuum zu beziehen, sondern werden durch die Lebensbedingungen beeinflusst. Trotzdem steht zunächst der einzelne Mensch im Zentrum. Ein zentraler Aspekt des Wohlbefindens ist die psychische Gesundheit. Dazu gehören Angstfreiheit, Gelassenheit und die Überzeugung, für andere wichtig zu sein und gemeinsam mit ihnen etwas zur Verbesserung der Lage bewirken zu können.
Zugleich sind aber auch die materiellen, kulturellen und gesellschaftlichen Ursachen und Rahmenbedingungen von Gesundheit und Krankheit zu betrachten. Entsprechend liegt die Verantwortung für die Gesundheitsförderung nicht nur beim Gesundheitssektor, sondern bei allen Politikbereichen. Ziel ist - über die Entwicklung gesünderer Lebensweisen hinaus - die Förderung von Wohlbefinden in einem umfassenderen Sinn. Der Deutsche Caritasverband möchte Menschen darin unterstützen, ihre persönliche Gesundheit im Blick zu haben, aber auch gemeinsam mit ihnen und anderen Partnern an der Verbesserung der Lebensqualität arbeiten und somit einen Beitrag zur gesundheitlich relevanten Verhältnisprävention leisten. Die Dienste und Einrichtungen der verbandlichen Caritas unterstützen diese Perspektive insbesondere mit ihren Konzepten der Sozialraumorientierung und der Interkulturellen Öffnung.
Schließlich bleibt es eine Daueraufgabe für die Caritas der katholischen Kirche als Gesundheitsakteurin, als Anwältin für Benachteiligte und als Solidaritätsstifterin die Aufmerksamkeit für die existentielle Dimension von Krankheit und Gesundheit und die damit verbundenen theologischen und ethischen Fragen wach zu halten. Wenn die WHO schon 1946 Gesundheit als einen "Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen" definiert hat, ist der Weg zur Illusion über eine leidfreie Gesellschaft nicht weit. Dass damit der Druck auf alle Menschen wächst, die diesem Ideal nicht entsprechen, wird immer wieder zu thematisieren sein.
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