Stark machen für ein soziales und gerechtes Miteinander
Lesen Sie hier die Rede von Caritas-Präsident Peter Neher (es gilt das gesprochene Wort!):
Unsere Gesellschaft verändert sich: wir werden weniger und wir werden älter. Dies legen alle Prognosen nahe, die sich mit dem Thema des demografischen Wandels beschäftigen. Die Zahl junger Menschen wird in den kommenden Jahren stetig abnehmen, die Zahl der älteren Menschen deutlich steigen. Auch wenn es schwierig ist, genaue Voraussagen zu treffen, eines ist sicher: das Verhältnis der Generationen wird sich radikal verändern.
Wie wirkt sich diese Entwicklung auf die Lebensumstände von Kindern und Jugendlichen aus; wie auf die Versorgung von älteren Menschen im Krankheitsfall und bei Pflegebedarf? Was heißt das für die Finanzierung unserer Sozialsysteme und was für die Anforderungen des Arbeitsmarkts? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Deutsche Caritasverband im Rahmen seiner diesjährigen Kampagne "Mach dich stark für Generationengerechtigkeit".
Generationengerechtigkeit als sozialpolitische Zukunftsaufgabe
Dem Thema der Generationengerechtigkeit ist eine der großen Grundfragen eigen: Wie sieht Gerechtigkeit zwischen den Generationen aus, wenn sich das Zahlenverhältnis zwischen jungen und alten Menschen gravierend verändert?
Die heutige Generation der Großeltern zeigt sich außerordentlich solidarisch mit ihren Kindern und Enkelkindern. Vielfach unterstützen sie diese mit Zeit und Geld. Diese Großelterngeneration hat viel geleistet. Zu Recht erwarten sie, dass ihre Lebensleistung honoriert wird. Aber auch die nachkommenden Generationen wollen nach der aktiven Zeit im Beruf ein Leben in sozialer Sicherheit. Gerade in der Rentenpolitik, die auf Solidarität angelegt ist, zeigen sich die Herausforderungen eines generationengerechten Handelns in besonderer Weise. Die Frage der Solidarität muss dabei zwingend für künftige Generationen mitgedacht werden.
Zuwanderung beeinflusst den demografischen Wandel
Doch nicht nur die Folgen des demografischen Wandels werden unsere Gesellschaft verändern. Auch die große Zahl der Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Naturkatastrophen nach Deutschland gekommen sind, verändert unser Land und es hat Auswirkungen auf den demografischen Wandel.
Viele Familien sind unter den Flüchtlingen und viele junge Männer. Wie groß die Zahl derer ist, die dauerhaft bei uns bleiben werden, ist noch nicht abzusehen. Klar ist nur, dass viele nicht so schnell, wenn überhaupt, in ihre Heimatländer zurückkehren können. Sie werden hier in Deutschland die Sprache lernen, Kindertagesstätten und Schulen besuchen, einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz finden; sie werden anfangen, sich heimisch zu fühlen; sie werden Steuern zahlen, sich in Vereinen engagieren, uns Einblick in ihre Kultur und Traditionen geben und unsere Kultur und unsere Traditionen kennenlernen und sich mit ihr auseinandersetzen und wir mit ihnen.
Integration ist die große Herausforderung
So wird die Zuwanderung auch positive Auswirkungen auf die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung in unserem Land haben. Es gibt Berechnungen, die zeigen, wie wir in Deutschland von der Kompetenz und den Qualifikationen vieler Flüchtlinge profitieren werden. Auch wenn es nicht wenigen Menschen schwerfällt, sich dieses heute vorzustellen. Denn natürlich gibt es auch jene, die nicht lesen und schreiben können. Diese Gruppe zu integrieren, ist eine besondere Herausforderung. Doch viele Flüchtlinge sind jung, viele sind Kinder. Sie lernen schnell, sie haben Energie, sie wollen sich ein neues Leben aufbauen. Sie werden, wenn sie in Deutschland bleiben, das Land verjüngen.
Zwei Aspekte sind dabei wichtig: Menschen lediglich unter ökonomischen Aspekten zu sehen, verbietet sich von selbst. Es ist eine große und furchtbare Not, welche Frauen, Männer und Kinder gezwungen hat, ihre Heimat zu verlassen und Zuflucht in anderen Ländern zu suchen. Die oftmals traumatischen Fluchterfahrungen belasten die Menschen, viele werden sie ihr Leben lang nicht vergessen können.
Und klar ist auch: Die Integration von Menschen aus einer anderen Kultur, einem anderen Sprachraum, einer anderen Religion ist bei weitem keine einfache Aufgabe. Integration ist kein Sonntagsspaziergang und wird über viele Jahre eine gesellschaftliche Aufgabe bleiben.
Für eine ernsthafte und sachliche Debatte ohne Scheuklappen
Noch immer gibt es viel Unkenntnis darüber, warum Menschen fliehen oder auch darüber, was ihnen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zusteht. Es gibt viele Sorgen und Ängste in der einheimischen Bevölkerung; darüber kann und muss man sprechen. Hass und Übergriffe aber können niemals geduldet werden. So ist es ist die Aufgabe der Politik, der Kirchen und der ganzen Zivilgesellschaft – und damit letztlich von uns allen – die Debatten ohne Scheuklappen zu führen; und zwar ernsthaft und sachlich.
Ganz herzlich danke ich Ihnen, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, für ihren Einsatz und ihr Engagement in der Flüchtlingspolitik. Sie haben in dieser Frage stets mit großer Glaubwürdigkeit und einem klaren Bekenntnis zur Würde des Menschen gehandelt – trotz und in allen politischen Zwängen.
Aber noch immer sind viele Fragen offen, wie beispielsweise die Europäische Union diese historische Herausforderung meistern wird. Und auch hier in Deutschland haben wir viele Aufgaben zu lösen. Ihren klaren Kurs für ein Europa, das sich nicht abschotten darf, unterstützen wir voll und ganz.
Caritas ist Gesprächspartner für asylrechtliche oder integrationspolitische Fragen
Die Caritas wird immer wieder ein konstruktiver aber auch ein unbequemer Gesprächspartner sein, wenn es um asylrechtliche oder integrationspolitische Fragen geht. So bin ich Ihnen Herr Kardinal sehr dankbar, dass wir von Ihnen dabei unterstützt werden und so als katholische Kirche gemeinsam eine starke Stimme haben.
Unser Jahresempfang steht unter der Überschrift "Mach dich stark für Generationengerechtigkeit". Dem füge ich hinzu: Machen wir uns stark für ein soziales und gerechtes Miteinander aller Menschen in unserem Land: seien es Deutsche oder Flüchtlinge, seien es alte oder junge Menschen.
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