Viele Länder, die ohnehin täglich mit Armut, Nahrungsmittelknappheit und schlechten Hygienebedingungen zu kämpfen haben, trifft die Ausbreitung des Coronavirus besonders hart. Das Bemühen, sich auf die Verbreitung des neuartigen Virus SARS-CoV-2 vorzubereiten (besser bekannt als das Coronavirus), scheitert oftmals an finanziellen Engpässen, engen Wohnverhältnissen und geringen medizinischen Kapazitäten. Diese Pandemie ist für alle neu. Dennoch trifft die weltweite Krise zahlreiche Länder um einiges härter als beispielsweise Deutschland.
Ausbreitung des Virus - Stand Mitte Oktober 2020
- Mehr als 40,7 Millionen Menschen sind laut der Johns-Hopkins-Universität weltweit positiv auf das Virus getestet worden. Über 1,1 Millionen Infizierte sind verstorben. Rund 27,8 Millionen Menschen sind bislang genesen.
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In Afrika ist die Todesrate relativ niedrig. Vermutlich hängt dies mit den früh erlassenen Beschränkungen sowie der mehrheitlich jungen Bevölkerung zusammen (60 Prozent sind jünger als 25 Jahre). Seit Ausbruch der Pandemie sind über 1,6 Millionen Menschen positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden (Stand: Mitte Oktober 2020).
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Viele Länder in Mittel- und Südamerika haben den Höhepunkt der Pandemie noch nicht erreicht, trotz monatelanger Quarantäne. Argentinien ist inzwischen das Land mit der höchsten Zahl an Todesopfern pro Million Einwohner*innen. Bisher Mitte Oktober sind in Argentinien mehr als 26 000 Personen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Brasilien ist nach den USA und Indien das Land mit den drittmeisten Infizierten.
Ein Grund für die hohen Infektionszahlen in Lateinamerika ist, dass mehr als die Hälfte der Beschäftigten im informellen Sektor arbeitet, zum Beispiel als Hausangestellte oder Straßenhändler*in. Zudem leben viele Menschen in Armenvierteln von Ballungszentren auf engem Raum. Damit wird die Verbreitung des Virus begünstigt. -
In Asien sind Bangladesch, Indonesien und die Philippinen sowie Pakistan als Länder mit hohen Armutsraten besonders hart getroffen. Indien liegt mit mehr als 7,5 Millionen bekannten Infektionen weltweit auf Platz 2 der meistbetroffenen Länder.
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In Indien und Nepal ist bei den Projektpartnern von Caritas international jeweils ein Mitarbeiter an COVID-19 verstorben.
Drohender Stillstand wird manche Länder hart treffen
Es sind Länder wie Jordanien, Libanon oder Sierra Leone, auf die sich der kommende Stillstand deutlich drastischer auswirken wird. Die sinkenden Touristenzahlen, ohnehin bestehende Engpässe in der Lebensmittelversorgung und mangelnde bis nicht vorhandene Hygienevorrichtungen wird die Ärmsten der Armen noch weiter an den Rand drängen. Dazu gehören auch die vielen Menschen auf der Flucht, sei es als Binnenvertriebene im eigenen Land oder als Flüchtlinge in Nachbarländern. Denn geflüchtete Menschen in hoffnungslos überfüllten Camps haben nahezu keine Chance, sich wirksam gegen eine Ansteckung zu schützen. Auch in Syrien, wo nach wie etwa sechs Millionen Binnenvertriebene leben, gab es bereits erste Corona-Fälle.
Caritas richtet Hilfsfonds für Corona-Hilfen weltweit ein
Caritas international setzt sich als Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes gemeinsam mit ihren lokalen Partnern weltweit für Menschen in Not ein. Damit die lebensrettende Arbeit vor Ort unter den nun erschwerten Bedingungen weiter gehen kann, hat Caritas international einen Hilfsfonds eingerichtet. Damit mit dem Fonds so viele Menschen wie möglich erreicht werden können, benötigen wir dringend Ihre Unterstützung. Ihre Spende ermöglicht bessere Hygienebedingungen, eine ausreichende Lebensmittelversorgung und wirksame Präventionsarbeit. Seien Sie Teil der weltweiten Hilfe – gemeinsam machen wir den Unterschied. Wie die Partner von Caritas international zurzeit in den einzelnen Ländern konkret mit dem Coronavirus umgehen und was sie zu befürchten haben, erfahren Sie in den folgenden Länderberichten.
Jordanien: Gesundheitsprojekt kurz vor dem Start
Eine Mitarbeiterin der Caritas Jordanien misst bei einem Patienten Fieber.Foto: Caritas Jordanien
In einem ersten Schritt hat Caritas international 50.000 Euro für ein von der Caritas Jordanien geplantes Gesundheitsprojekt bereitgestellt. Das unterstützte Projekt will vor allem die medizinische Notfallversorgung von Geflüchteten in der derzeitigen Krisensituation in den Gesundheitszentren aufrecht erhalten. Die bestehenden Gesundheitszentren der Caritas Jordanien werden monatlich von rund 10.000 Menschen aufgesucht und sind ein essenzieller Bestandteil des jordanischen Gesundheitssystems. Die Zentren benötigen dringend Schutz- und Hygienematerialien, um ihrer Arbeit nachgehen zu können und eine Ausbreitung des Virus in den Gesundheitszentren zu verhindern. Zudem müssen die Flüchtlinge informiert werden, wie sie trotz geltender Ausgangssperren im Notfall Zugang zu medizinischer Hilfe erhalten. In Zukunft sollen sie in Kooperation mit der Regierung auch als Erstanlaufstelle für Flüchtlinge mit Corona-Verdacht fungieren. Neben den gesundheitlichen Herausforderungen zeigen sich zudem erste Anzeichen der zu erwartenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen. „Ich habe eine Kollegin, die hier unter Tränen sitzt, weil alle Familienmitglieder außer ihr über Nacht ihr Einkommen verloren haben”, berichtet Kathrin Göb, Caritas-Fachkraft in Jordanien. „Aufgrund der Einstellung des Tourismus schicken selbst große Hotels ihre Mitarbeiter unbezahlt in Urlaub, so dass sie keinerlei Einkommen mehr haben. Und sie beginnen beim Personal mit dem niedrigsten Einkommen, das keine Ersparnisse hat, auf die es zurückgreifen kann.”
Im Interview berichtet Kathrin Göb über ihren Alltag mit der Corona-Krise in Jordanien und die Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung: Zum Interview
Griechenland: Corona-Ausbruch auf Lesbos hätte katastrophale Folgen
In Griechenland gibt es bislang mehrere Hundert Corona-Fälle. Auch die Bewohner der Insel Lesbos blieben nicht verschont. Gernot Krauß, Länderreferent bei Caritas international, warnt vor einem Ausbruch der Krankheit in den überbelegten Flüchtlingscamps: „Wenn Corona in den Camps auf Lesbos ausbricht, wäre das fatal. Die Leute leben auf sehr engen Raum. Sie können sich nicht zurückziehen und soziale Distanz waren.” Hinzu kommen die katastrophalen hygienischen Verhältnisse und die kaum gewährleistete medizinische Versorgung. Viele der dort lebenden Kinder und älteren Menschen haben bereits einen geschwächten Gesundheitszustand. Zurzeit leistet Caritas international mit ihrem Partner, der Caritas Griechenland, Nothilfe auf den griechischen Inseln Lesbos und Chios. „Wie lange die Helferinnen und Helfer die geflüchteten Menschen mit warmen Decken, Kleidung und Medikamenten unterstützen können, lässt sich nicht einschätzen”, sagt Gernot Krauß. „Denn wir müssen auch auf die Gesundheit unserer Mitarbeitenden und der unserer Partner vor Ort achten.”
Sierra Leone: Von Ebola geplagtes Gesundheitssystem könnte zerbrechen
Sierra Leone kann auf seine Erfahrungen im Umgang mit dem Ebola-Virus zurückgreifen.Foto: Dominic Chavez/World Bank
„Einerseits sind die Menschen in Sierra Leone durch ihre Erfahrungen mit Ebola auf gesundheitliche Krisen wie Corona eher vorbereitet als wir hier in Deutschland", sagt Patrick Kuebart, Länderreferent bei Caritas international. "Andererseits könnte das Gesundheitssystem eine Ausbreitung des Coronavirus nicht stemmen." Bis jetzt sind die Aktivitäten der Caritas Sierra Leone nicht eingeschränkt. Das kann sich jedoch schnell ändern. Dann stehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Partner von Caritas international vor einem Gewissenkonflikt: Schränken sie überlebenswichtige Maßnahmen wie die Versorgung mit Lebensmitteln stark ein oder führen sie die Aktivitäten weiter und nehmen damit möglicherweise ein weitere Ausbreitung der Krankheit in Kauf? Caritas international bereitet sich schon jetzt mit ihrer lokalen Partnerorganisation Caritas Sierra Leone durch präventive Maßnahmen auf den Ernstfall vor. So sollen an vielen Orten Hygienestationen mit Wasser, Seife und Desinfektionsmittel eingerichtet werden.
Die Caritas hat dank ihrer weltweiten Aktivitäten viel Erfahrung mit der Bewältigung gesundheitlicher Krisen - so wie hier in der Demokratischen Republik Kongo bei der Bekämpfung von Ebola und anderen ansteckenden Krankheiten. Dieses Wissen kommt nun auch dem Kampf gegen das Coronavirus zugute.Tommy Trenchard / Caritas Internationalis
Libanon: Schnell getroffene Maßnahmen lassen hoffen
Derzeit gibt es im Libanon etwas mehr als hundert Fälle einer Infizierung mit dem Coronavirus. Trotz der vergleichsweise geringen Zahl traf die libanesische Regierung schnell erste Maßnahmen. Neben Einreisebeschränkungen für Länder wie Korea, Japan und China sowie für Europäer aus stark betroffenen Ländern wie Deutschland, Italien und Spanien ist das öffentliche Leben stark heruntergefahren. Schulen und Einrichtungen für die Kinderbetreuung sind bereits seit Anfang März geschlossen. Zudem mussten Läden, Restaurants und Banken schließen. „Auch viele Mitarbeiter der Caritas Libanon sind zurzeit im Home-Office und geplante Aktivitäten wurden vorsichtshalber abgesagt”, berichtet Regina Kaltenbach, Länderreferentin bei Caritas international. „Es ist ein Hoffnungsschimmer, dass so schnell Maßnahmen ergriffen wurden.” Doch neben der bestehenden Hoffnung gibt es berechtigte Bedenken und Sorgen. Wenn das Coronavirus stärker ausbricht, hätte das vor allem wirtschaftlich schlimme Folgen. Denn das Land steckt seit Herbst 2019 in einer Wirtschaftskrise und die Arbeitslosigkeit ist ohnehin schon hoch.